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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. Sozialpädiatrie
  2. Sozialkompensatorische und subsidiäre Aspekte

Kinder- und Jugendgesundheitsdienste (KJGD) sind ein integraler Bestandteil des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in Deutschland.

Die Aufgabe des KJGD ist, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu schützen und zu fördern. Dazu begutachten, beraten und begleiten die Ärztinnen und Ärzte, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterer Professionen Kinder, Jugendliche, ihre Familien und andere Beteiligte.

Die Aufgaben sind auf Ebene der Länder und Kommunen beschrieben; u.a. in den jeweiligen Gesetzen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (Gesundheitsdienstgesetze, GDG) der Länder, in Schulgesetzen, Gesetzen zur Kindertagesbetreuung oder dem Infektionsschutzgesetz.

Ärztinnen und Ärzte im KJGD arbeiten sozialkompensatorisch, individualmedizinisch, bevölkerungsmedizinisch, betriebsmedizinisch, präventiv und frei von kommerziellen Interessen. Dies führt zu unterschiedlichen Rollen und Aufgaben im Zusammenspiel mit dem medizinischen Versorgungssystem, also mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Kliniken, Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, dem Fürsorgesystem mit Jugendhilfe Eingliederungshilfe, Frühen Hilfen, Institutionen und Vereinen aus dem breiten Spektrum der Gesundheitsförderung und regionaler Verwaltung.

Dabei besteht die Möglichkeit und Verpflichtung, im Sinne der Fürsprache (engl. advocacy) an der Gestaltung von gesunden gleichberechtigten Lebenswelten für alle Kinder und Familien mitzuwirken. Die zentrale unabhängige Position eines KJGD als wichtiger Teil des ÖGD kann nicht hoch genug geschätzt werden. 

Mit seiner umfassenden und detaillierten Kenntnis der lokalen sozialraum-bezogenen Lebensbedingungen, seiner Systemkenntnis in Sozialrecht, Schulrecht und medizinischer Versorgung ist der KJGD ein unentbehrlicher Partner in der kommunalen und landesweiten gesundheitlichen Versorgung und Gesundheitsförderung der Bevölkerung.

Durch Beratung der Familien können Zugänge zu niederschwelligen Hilfesystemen wie Frühe Hilfen und Elternberatung unterstützt werden. 

Der KJGD kann und sollte Lotse in die medizinischen Versorgungssysteme und im Bereich Diagnostik, Therapie und Pflege sowie Gesundheitsförderung sein. Durch Netzwerkarbeit mit ambulanten Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin, voll- und teilstationären Angeboten in Kliniken und Sozialpädiatrischen Zentren besteht die Chance, die Förderung, Vorsorge und Fürsorge von chronisch kranken oder behinderten Kindern zu verbessern. ** Eine aktive Rolle in der Verbesserung der Teilhabe dieser Kinder hat der KJGD durch die sozialrechtliche Begutachtung für Maßnahmen der Eingliederungshilfe. 

Der KJGD kann in seiner Rolle im Schulärztlichen Dienst in Kenntnis der lokalen Umfeldbedingungen individuelle Hilfen im Rahmen der inklusiven Beschulung leisten. Durch Beratung von Familien und Bildungssystem bietet er sich als Mediator in Problemfeldern von Schule, Jugendhilfe und Kommunalverwaltungen an. Er berät im betriebsmedizinischen Sinne die Bildungseinrichtungen zu den Erfordernissen der Betreuung von chronisch kranken und behinderten Kindern mit ihren individuellen Hilfebedarfen.

Die Gestaltung des Lebensumfeldes im regionalen Sozialraum kann durch Mitwirkung in lokalen Netzwerken wie Gesundheitskonferenzen, Steuerungsgruppen zur Inklusion, Teilhabe und Bildung maßgeblich unter gesundheitsförderlichen Aspekten beeinflusst werden. Mit der Datenerhebung für regionale und landesweite Gesundheitsberichterstattung schafft der KJGD die Basis für epidemiologisch und gesellschaftlich relevante Erkenntnisse, die für eine verantwortungsvolle bundes- und landesweite sowie regionale Gesundheitsplanung Voraussetzung sind. Problemfelder und Zielgruppen können benannt, Präventionsmaßnahmen zielgenau initiiert, gesteuert und begleitet werden.

Die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams im KJGD mit u. a. Ärzten, medizinischen Fachangestellten, Schulgesundheitsfachkräften, Kinderkrankenschwestern, Familienhebammen, Sozialpädagogen oder Gesundheitswissenschaftlern ist ein Qualitätsmerkmal, vielfach erprobt und ein Alleinstellungsmerkmal im medizinischen Versorgungssystem.

Nicht nur in dieser Hinsicht empfiehlt sich der internationale kollegiale Austausch mit den entsprechenden europäischen Fachgesellschaften. Vieles, was aktuell in der Bundesrepublik Deutschland allenfalls als wünschenswertes Idealbild eines öffentlichen KJGD erscheint, praktiziert man in anderen europäischen Ländern zum Nutzen der Kinder und Jugendlichen völlig selbstverständlich - so z.B. den Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften. 

Sozialpädiatrie

Grundlage des ärztlichen Handelns im KJGD ist die sozialpädiatrische Sicht auf ein Kind und sein Umfeld. Die individuelle Sozialpädiatrie berücksichtigt die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit ganzheitlicher Sichtweise, d.h. sie bezieht neben primär somatischen Problemen auch die seelische Gesundheit und die psychosozialen Aspekte ein. 

Niederschwellige sozialraumbezogene Angebote für jedes Kind und seine Familie sind für den präventiven Aspekt elementar. 

Die zielgruppen- und lebensraumbezogenenen Aspekte der Sozialpädiatrie beinhalten: 

  • epidemiologische Anteile

  • Reihenuntersuchungen 

  • Impfungen

  • Unterstützung von Erziehungskompetenz in Fragen zur Gesundheit und Erziehung

  • Begutachtungen

  • niederschwellige gesundheitliche Angebote für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Lebensumständen 

  • die Beratung von Politik und Verwaltung

Neben der Berichterstattung auf Landesebene verfügen die KJGDs als unabhängige Institutionen über die Kompetenz, vor Ort und zeitnah zu Fragen aus der Kommunalpolitik Stellung nehmen zu können. Dieser Aspekt der Gesundheitsberichterstattung (GBE) hat auch im Sinne der Steuerung große Bedeutung für die Kommune. 

Sozialkompensatorische und subsidiäre Aspekte

Sozialkompensatorische Arbeit unterstützt soziale Gerechtigkeit und die gesundheitliche Chancengleichheit. Die Arbeit des KJGDs trägt dazu bei, den durch ihren sozio-ökonomischen Status benachteiligten Kindern, Jugendlichen und Familien eine besondere Beachtung, Zuwendung und Unterstützung zur Förderung ihrer Gesundheit zu vermitteln. Dazu sind niederschwellige Angebote und insbesondere die Vernetzung mit anderen Akteuren elementar.

Subsidiär” sind Maßnahmen dann, wenn sie erforderlich sind, aber in keinem Regelsystem vorgehalten werden. Dies betrifft sowohl inhaltliche als auch strukturelle Aspekte der Aufgaben des KJGD.