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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. Fachliche Maßnahmen
  2. Diagnostik
  3. Arbeitsschutz / Schutzausrüstung
    1. Grundlagen
    2. Persönliche Schutzausrüstung
    3. Atemschutz
    4. Augenschutz
    5. Handhygiene
    6. Bedarf an Schutzausrüstung
  4. Surveillance
  5. Desinfektionsschutzmaßnahmen
  6. Schutzmaßnahmen
    1. Postexpositionsprophylaxe
    2. Isolierung/Absonderung/Quarantäne
    3. Praktische Aspekte von Isolierungsmaßnahmen
  7. Logistische Maßnahmen
    1. Rettungsdienstlicher Patiententransport
    2. Transport infektiöser Personen
    3. Dekontamination kontaminierter Personen
    4. Transportkapazitäten in der Krise
    5. Sonderisolier- oder Hochinfektionstransport
  8. Proben
    1. Probenahme
    2. Probentransport
      1. Verantwortlichkeiten
      2. Klassifizierung
    3. Verpackungsvorschriften
    4. Notfallbeförderung
  9. Kontaktminimierende Maßnahmen
  10. Therapie und Impfkonzept
  11. Umgang mit Leichen
    1. Hohe Anzahl von Verstorbenen
    2. Kontagiöse Leichname
  12. Entsorgungsmanagement

In der Toolbox (Werkzeugkasten) werden fachliche und logistische Maßnahmen näher beschrieben, die bei infektiologischen Gefahrenlagen ggf. notwendig werden.

Zu den fachlichen Maßnahmen gehören

  • Diagnostik

  • Arbeitsschutz/Persönliche Schutzausrüstung

  • Surveillance

  • Desinfektionsmaßnahmen

  • Schutzmaßnahmen

  • Isolierung

Den logistischen Maßnahmen können folgende Themen zugeordnet werden:

  • Patiententransport

  • Probenmanagement

  • Therapie und Impfkonzept

  • Umgang mit Leichen

  • Entsorgungsmanagement

Hier dargestellt, sind generische Hinweise. Für zahlreiche Erreger gibt es spezielle Empfehlungen, z.B. auf den Seiten des RKI unter Infektionskrankheiten A-Z, auf den Internetseiten Landesbehörden oder ggf. der jeweils zuständigen Behörden.

Fachliche Maßnahmen

Diagnostik

Die Diagnostik zur Feststellung der Krankheit ist ein wesentlicher Bestandteil zur Beurteilung, welche therapeutischen und seuchenhygienischen Maßnahmen notwendig sind. Die Diagnostik reicht von der Anamnese über die körperliche Untersuchung bis zur apparativen Untersuchung inklusive der Laboranalytik. Bei vielen Infektionskrankheiten wird die Diagnostik dadurch erschwert, dass die Symptome bei Krankheitsbeginn häufig sehr unspezifisch sind, so dass eine Abklärung im Labor notwendig ist, um die Diagnose zu bestätigen.

Die Anforderung an die Labor-Diagnostik sind dementsprechend:

  • hohe Sensitivität: möglichst geringe Mengen eines Erregers müssen nachweisbar sein, um falsch negative Ergebnisse zu vermeiden

  • hohe Spezifität: gute Unterscheidung zwischen ähnlichen Erregern/Agentien, damit keine falsch positiven Ergebnisse vorkommen

  • hohe Stabilität: möglichst geringer Einfluss von Störfaktoren, die das Ergebnis verfälschen und zu falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen führen können (z.B. durch Hemmstoffe)

  • hohe Schnelligkeit: möglichst kurze Zeitspanne bis zum Testergebnis, damit die richtigen Maßnahmen so schnell wie möglich ergriffen werden können

Zur Optimierung der Diagnostik sind eine korrekte Probenahme sowie richtige Verpackung und Versand (ebenfalls in dieser Toolbox dargestellt) notwendige Voraussetzungen. Um im Krisenfall keine unnötige Zeit zu verlieren, sollten entsprechende Labore im Zuständigkeitsbereich bekannt sein, deren Diagnostikspektrum bekannt sein und die Kontaktinformationen vorliegen. Zum reibungslosen Ablauf trägt bei, mit dem Labor die Probenahme abzustimmen - insbesondere, welche Art von Proben am besten geeignet sind - und das Labor vorab zu informieren, damit es mit vorbereitenden Maßnahmen beginnen kann, solange die Probe noch unterwegs ist.

Während es zu Beginn eines Ausbruchs oder bei Erkrankungen mit hoher Letalität notwendig ist, jeden einzelnen Fall zu diagnostizieren, kann es im Verlauf einer Epidemie aufgrund von Laborüberlastung oder eindeutigen epidemiologischen Zusammenhängen notwendig werden, bei der Erstellung von Diagnosen auf Falldefinitionen zurückzugreifen, die eigentlich zum Ziel haben, bundesweit einheitliche Kriterien im Rahmen der Überwachung von Infektionskrankheiten sicherzustellen.

Arbeitsschutz / Schutzausrüstung

Grundlagen

Die Grundlage für Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen bildet die Biostoffverordnung (BioStoffV) mit dem Ziel, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und anderer Personen zu schützen. Der beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebildete Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) ermittelt auf Grundlage der Biostoffverordnung den Stand der Wissenschaft, Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene und stellt diese in Form von Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) zur Verfügung.

Sie decken die folgenden Themengebiete ab:

  • Allgemeines, Aufbau und Anwendung

  • Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (z.B. Schutzmaßnahmen in Laboratorien, bei akuten biologischen Gefahrenlagen, Abfall, Abwasser, Gesundheitswesen)

  • Gefährdungsbeurteilung (z.B. Einstufung in Risikogruppen)

  • Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen

  • Beschlüsse des ABAS zu Anforderungen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in besonderen Fällen (z.B. Tuberkulose, Polio, Influenza, hochpathogene Krankheitserreger)

TRBAs sollen dabei unterstützen, die bestmöglichen Arbeitsschutzmaßnahmen umzusetzen. Sie haben keinen Gesetzescharakter. Es ist daher möglich, andere Maßnahmen anzuwenden, die die gleiche Schutzwirkung haben.

Der Arbeitsschutz arbeitet nach dem Prinzip, dass bauliche Maßnahmen vor organisatorischen Maßnahmen und diese wiederum vor persönlichen Maßnahmen zu prüfen sind. Dementsprechend ist vor jedem Einsatz eine Gefährdungsbewertung durchzuführen und angemessene Schutzmaßnahmen festzulegen. Es sollte nicht grundsätzlich der höchstmögliche Schutz angewendet werden, da dieser einerseits den Träger unnötig belastet und im ungünstiens Fall sogar dazu beitragen kann, dass Patienten nicht optimal versorgt werden.

Persönliche Schutzausrüstung

In den TRBAs werden die Anforderungen an die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) beschrieben, z.B. innerhalb von Einrichtungen des Gesundheitswesens (TRBA 250) oder für die Versorgung von Patienten mit hochkontagiösen Erkrankungen außerhalb von Sonderisolierstationen (Beschluss 610). In den TRBAs werden zahlreiche Normen aufgeführt, die die PSA erfüllen muss. Für die Beschaffung von PSA ist es hilfreich, die Erfüllung der genannten Normen vom Hersteller zu fordern, da dadurch gewährleistet ist, dass der Stand der Wissenschaft eingehalten wird.

Schutzausrüstungen werden auf der Grundlage der Richtlinie 89/686/EWG (Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen) hergestellt und klassifiziert. Im Einsatz gegen tödliche Gefahren oder bei schwerwiegenden gesundheitlichen Folgeschäden kommt die Kategorie III zum Einsatz.

Bei der Auswahl von PSA kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen dem sogenannten Infektionsschutzset, das aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt wird, und dem Gebläseanzug, der häufig aus einem Einteiler mit einem externen Gebläse besteht.

Als Vorteile des Infektionsschutzsets werden der geringere Preis pro Set und der niedrigere Wartungsaufwand aufgeführt. Die Vorteile des Gebläseanzugs sind der höhere Tragekomfort, längere Tragezeiten, bessere Kommunikationsmöglichkeiten bei Verwendung eines Headsets, keine Geruchsbelästigung bei der Dekontamination (bei der Nutzung von ABEK P3-Filtern). Auch wenn beim Infektionsschutzset die Fehlerquote beim Anlegen höher ist als beim Gebläseschutz, benötigen beide Systeme regelmäßiges Training. Insbesondere beim Ablegen der PSA treten regelmäßig Fehler auf, die im Ernstfall lebensbedrohliche Folgen haben können.

Im Folgenden wird daher auf diese Komponenten in Auszügen gesondert eingegangen, bezüglich der vollständigen Beschreibung wird auf die TRBA 250 und den Beschluss 610 verwiesen.

Atemschutz

Die Atemwege werden durch partikelfiltrierende Masken geschützt (Filtering Face Piece, FFP). Die Dichtigkeit wird nach DIN EN 149:2001 auf Feinstäube und flüssige Aerosole geprüft. Die Klasse gibt die Filterleistung an:

  • FFP-1 höchstens 22%,

  • FFP-2 höchstens 8% und

  • FFP-3 höchstnes 2% Gesamtleckage

Mit Abnahme der Leckage steigt die Schutzwirkung, aber auch die Belastung durch erschwertes Atmen. Ein Ausatemventil trägt im Gegenzug zur Reduzierung der Belastung bei und sollte daher insbesondere bei FFP-3 Masken gewählt werden. Zusätzlich wird die Schutzwirkung durch den korrekten Sitz beeinflusst. Aufgrund unterschiedlicher Kopfformen muss individuell getestet werden, welche Maske für wen am besten geeignet ist. Hierzu ist ein sogenannter FIT-Test durchzuführen. Bei Bartträgern oder stark vernarbter Haut im Bereich der Dichtlippe ist davon auszugehen, dass kein Dichtsitz erreicht wird. Um einen zusätzlichen Spritzschutz zu gewährleisten, sollte das Filterflies zusätzlich nach DIN EN 14683 (Spritzschutz IIR) geprüft sein.

Der häufig verwendete Mund-Nasen-Schutz (“OP-Maske”) stellt keinen Atemschutz dar. Er ist in erster Linie bei erkrankten Personen einzusetzen, die gesundheitlich in der Lage sind, ihn zu nutzen, um die Verteilung von Erregern zu verringern. Eine Atemschutzmaske mit Ausatemventil darf hingegen bei Erkrankten nicht angewendet werden, da sie einerseits beim Einatmen einen hohen Atemwiderstand aufweist, andererseits beim Ausatmen keine Filterwirkung hat.

Bei Verwendung einer Vollmaske oder eines Gebläseschutzanzugs können Filter gewählt werden, die zusätzlich gegen Gase / Chemikalien schützen. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat wichtige Hinweise zur Benutzung von Atemschutzgeräten zusammengestellt.

Augenschutz

Bei der Auswahl von Augenschutz im Rahmen eines Infektionsschutzsets ist darauf zu achten, dass er mit den anderen Komponenten zusammenpasst. Besonders kritisch ist der Übergang von Atemschutzmaske und Schutzbrille. Bei Gebläseschutzanzügen ist der Augenschutz integriert. Je nach Risikobewertung kann eine Vollbrille notwendig sein, die rundum geschlossen, ungelüftet und beschlagsfrei ist. Wenn keine Gefahr einer Aerosolbildung besteht, kann auch ein Gesichtsvisier genutzt werden. Die Prüfkriterien sind in der EN 166 festgelegt. Entsprechend dieser Norm sollte die Schutzbrille die Rahmenkennzeichnung 5 aufweisen.

Handhygiene

Da die meisten Erreger über Hände übertragen werden, kommt auch dem Handschutz eine besondere Bedeutung zu. Hierbei ist zu betonen, dass Handschuhe die biologischen Agenzien ebenfalls übertragen können. Die Benutzung von Handschuhen befreit nicht von der Händehygiene. Bei der Wahl der Handschuhe ist sowohl auf mechanischen als auch auf biologischen Schutz zu achten.

Empfehlenswert ist, sich innerhalb der Gemeinde/des Landkreises mit den anderen Behörden abzustimmen und ein einheitliches PSA- und auch Dekontaminations- und Schulungs-Konzept auszuarbeiten.

Bedarf an Schutzausrüstung

Um den Verbrauch an PSA kalkulieren zu können, ist sowohl die Art als auch die Schwere der Erkrankung zu berücksichtigen, da von ihr einerseits die Art der PSA, andererseits die Häufigkeit der Kontakte mit den unterschiedlichen Berufsgruppen abhängt. Eine übersichtliche Kalkulationshilfe hat das amerikanische Centers of Disease Control and Prevention auf ihrer Internetseite publiziert. Anhand von fünf unterschiedlichen Szenarien wird der Bedarf beispielhaft dargestellt in Estimated Personal Protective Equipment (PPE) Needed for Healthcare Facilities.

MERKE: Der wichtigste persönliche Schutz ist die Inanspruchnahme der möglichen Schutzimpfungen!! Mit dem Betriebsarzt muss eine Gefährdungsanalyse erstellt werden.

Surveillance

Unter epidemiologischer Überwachung (Surveillance) wird

“die fortlaufende systematische Sammlung, Analyse, Bewertung und Verbreitung von Gesundheitsdaten zum Zweck der Planung, Durchführung und Bewertung von Maßnahmen zur Krankheitsbekämpfung verstanden” RKI, 2020 (n.d.).

Die Surveillance dient der Früherkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen

Im Dritten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes sind die gesetzlichen Grundlagen für das Meldewesen in Deutschland festgeschrieben. Dort sind festgelegt: die meldepflichtigen Krankheiten, Krankheitserreger sowie zur Meldung verpflichtete Personen sowie die Meldewege vom Gesundheitsamt über Landesbehörden bis zur Bundesbehörde und der Weltgesundheitsorganisation. In Krisenfällen ist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) durch §15 ermächtigt, mittels Rechtsverordnung entsprechend der epidemiologischen Lage, die Meldepflichten aufzuheben, einzuschränken oder zu erweitern.

Desinfektionsschutzmaßnahmen

Da Krankheitserreger häufig auch über belebte und unbelebte Oberflächen weiterverbreitet werden können, ist es zur Verhinderung einer Weiterverbreitung von Krankheitserregern erforderlich, alle Gegenstände, mit denen eine infektiöse Person in Kontakt gekommen sein könnte, regelmäßig zu desinfizieren. Insbesondere die Abschlussdesinfektion, wenn ein Patient einen Ort verlässt, z.B. den Rettungswagen oder das Zimmer nach Entlassung, ist notwendig, um Personen, die die Räumlichkeiten anschließend betreten, zu schützen. Bei aerosolübertragbaren Krankheiten kann es zusätzlich notwendig sein, neben einer Scheuer-Wisch-Desinfektion, eine Raumdesinfektion durchzuführen.

Desinfektionsmaßnahmen betreffen auch Personen, die durch eine infektiöse Person oder Gegenstände kontaminiert worden sein könnten. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Händehygiene zu, da die meisten Krankheiten über kontaminierte Hände übertragen werden. Während es im häuslichem Umfeld häufig ausreichend ist, die Hände gründlich zu waschen, ist zum Schutz der Mitarbeitenden, der Erkrankten und der Besucher in Bereichen mit gefährlichen Krankheitserregern, wie z.B. im medizischen Bereich und in Diagnostiklaboren, vorgeschrieben, die Hände zu desinfizieren.

Im §18 des IfSG ist festgeschrieben, dass bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen ein Desinfektionsmittel und eine -methode angewendet werden dürfen, die von der zuständigen Bundesoberbehörde, in diesem Fall dem Robert Koch-Institut, im Bundesgesundheitsblatt bekannt gemacht wurden. Bei der Desinfektion werden thermische, chemische und sonstige Verfahren unterschieden. Bei der Auswahl eines geeigneten Desinfektionsmittels ist es notwendig, die Wirkungsbereiche zu beachten. Diese sind in der Desinfektionsmittelliste - hier vereinfacht dargestellt - unterschieden nach:

A - zur Abtötung von vegetativen Bakterien,

B - zur Inaktivierung von Viren, wobei „viruzid“ sowohl gegen behüllte als auch gegen unbehüllte Viren wirksam ist, während „begrenzt viruzid“ vorzugsweise gegen behüllte Viren wirkt,

C - zur Abtötung von Sporen des Erregers des Milzbrandes und,

D - zur Abtötung von Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf geeignet.

Das RKI veröffentlicht eine Liste der geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren. Da eine fachgereche Desinfektion hohe Fachkompetenz und Erfahrung voraussetzt, beschreibt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, in einer Empfehlung: Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen.

Die Desinfektionsmittelliste des Verbundes für angewandte Hygiene e.V. ist die Standardreferenz für die Desinfektion im Routinebetrieb beim medizinischen und nichtmedizinischen Einrichtungen. Während unter Dekontamination üblicherweise die Reduktion von schädlichen Agentien auf ein gesundheitsunschägliches Maß verstanden wird, bedeutet Desinfektion, die Abtötung bzw. irreversible Inaktivierung von Krankheitserregern. Eine Dekontamination kann daher, in Gegensatz zur Desinfektion, ausschließliche eine mechanische Entfernung ohne Inaktivierung/Abtötung darstellen (siehe dazu auch: Dekontamination betroffener Personen).

Schutzmaßnahmen

Postexpositionsprophylaxe

Grundsätzlich besteht bei einigen Infektionskrankheiten die Möglichkeit, dass durch eine unmittelbar nach einer Exposition / möglichen Infektion eingeleitete Prophylaxe der Ausbruch einer Krankheit verhindert wird.

Beispiele für Krankheiten, die mit antibiotischer Postexpositionsprophylaxe (PEP) verhindert werden können, sind z.B.:

  • Meningokokken-Meningitis

  • Milzbrand

  • Tularämie

  • Pest

Auch einige Viruserkrankungen können im Rahmen eines individuellen Heilversuchs durch eine PEP möglicherweise verhindert werden, z.B.

  • virale hämorrhagische Fieber

  • Pocken

  • Influenza

Bei Ansteckungsverdächtigen muss die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit einer PEP geprüft werden.

Der ÖGD sollte für den eigenen Zuständigkeitsbereich aktuelle Risikobewertungen vornehmen. Dazu gehört, die folgenden Fragen zu klären:

  • Mit welchen Infektionskrankheiten muss (realistisch) gerechnet werden?

  • Welche dieser Krankheiten sind einer medikamentösen PEP zugänglich?

  • Welche Medikamente sind als PEP geeignet?

  • Sind diese Medikamente für den ÖGD auch in Krisensituationen in ausreichender Menge verfügbar?

  • Ist eine eigene Bevorratung von Medikamenten sinnvoll? Sind bei Bevorratung u.U. auch die Bestände benachbarter GA’s bekannt?

  • Gibt es einen Plan zur Verteilung der PEP?

  • Sind die Ressourcen zur Verteilung einer PEP auch im Krisenfall verfügbar?

  • Ist Informations- und Dokumentationsmaterial für den Fall einer PEP vorbereitet?

  • Sind postexpositionelle Impfungen möglich und sinnvoll?

  • Sind die benötigten Impfstoffe in ausreichender Anzahl verfügbar?

  • Ist Material zum Transport, zur Lagerung und zur Verabreichung der Impfstoffe vorhanden?

  • Gibt es einen Plan zur Verabreichung postexpositioneller Impfungen?

  • Ist Informations- und Dokumentationsmaterial für den Fall einer postexpositionellen Impfung vorbereitet?

Isolierung/Absonderung/Quarantäne

Das Ziel von Isolierung/Absonderung/Quarantäne ist, eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu reduzieren oder möglichst zu verhindern. Siehe dazu auch das Fachwörterbuch Infektionsschutz.

Das IfSG beschreibt die Maßnahmen hierzu in gestufter Weise in §§28 und 30.

Im Sinne des §30 IfSG ist die Absonderung/Quarantäne eine Isolierungsmaßnahme für Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider. Diese kann in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise erfolgen. Für Ausscheider sind Ausnahmen möglich, wenn andere Schutzmaßnahmen befolgt werden.

In Abgrenzung zur Absonderung/Quarantäne sind auch Isolierungsmaßnahmen nach §28 IfSG möglich, bei denen Personen verpflichtet werden, den Ort nicht zu verlassen, an dem sie sich befinden, oder bestimmte Orte nicht zu betreten. Hierzu könnte beispielsweise auch die häusliche Isolierung gezählt werden.

Praktische Aspekte von Isolierungsmaßnahmen

Erfahrungen von Ausbrüchen in den letzten Jahren, bei denen z.B. eine häusliche Isolierung angeordnet wurde, zeigen, dass den Betroffenen häufig der Hintergrund für die Sinnhaftigkeit der Maßnahme fehlte und sie teilweise lediglich als „Arbeitsverbot“ verstanden wurde, oder dass sie zwar die Wohnung nicht verlassen sollten, dann im Gegenzug aber Besuch eingeladen hatten.

Entsprechend empfiehlt es sich, die Anordnung schriftlich an die Betroffenen auszugeben und auf die Folgen bei Nichteinhaltung aufmerksam zu machen. Verstöße können mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden.

Es ist wichtig, den Betroffenen Empfehlungen zu geben, wie sie sich im häuslichen Umfeld verhalten sollen, insbesondere wenn sich weitere Personen in derselben Wohnung aufhalten, für die keine Isolierungsmaßnahmen festgelegt wurden. Hierzu gehören die Händehygiene sowie das gegenseitige Abstandhalten. Insbesondere bei Familien mit kleinen Kindern kann dies eine große Herausforderung darstellen.

Eine besondere Herausforderung kann auch die Versorgung von betroffenen Personen darstellen, die keine Nachbarn oder Angehörigen haben, die sie mit Lebensmitteln versorgen können. Hierzu kann das Gesundheitsamt eine Liste mit Unterstützungsangeboten vorbereiten, z.B. Lieferdienste von Lebensmittelgeschäften oder Apotheken.

Auch die seelische Gesundheit stellt einen wichtigen Pfeiler dar, da z.B. Ängste, Sorgen vor Ansteckung und Einsamkeit dazu beitragen können, dass die behördliche Anordnung nicht eingehalten oder abgebrochen wird. Informieren Sie daher die Betroffenen über Möglichkeiten, wie sie sich beschäftigen und fit halten können, wie sie weiterhin mit der Umwelt in Verbindung bleiben können, und an wen sie sich im Notfall werden können.

Logistische Maßnahmen

Rettungsdienstlicher Patiententransport

Der Patiententransport in B-Lagen stellt den Rettungsdienst vor besondere Herausforderungen.

In der Regel ist der Transport dekontaminierter Patienten anzustreben. Die Feuerwehr-Dienstvorschrift „Einheiten im ABC – Einsatz“ (FwDV 500) führt dazu aus:

“Kontaminierte Verletzte sind - soweit medizinisch vertretbar - unter Verantwortung und Anleitung durch den Rettungsdienst (Notarzt) zu dekontaminieren. (…) Bei einigen ABC-Gefahrstoffen, die bei Kontaminationsverschleppung eine erhebliche Schadenausweitung hervorrufen würden (z. B. Kampfstoffe, besonders B-Kampfstoffe und ansteckungsgefährliche Stoffe), ist eine Dekontamination/ Desinfektion an der Einsatzstelle erforderlich.” (AFKzV 2012)

Der Transport nicht dekontaminierter Patienten in C-, R- und N-Lagen kann im Nachgang zu schwerwiegenden Problemen führen. Neben der Gefährdung von Personal und Bevölkerung kann es zu einer Kontaminationsverschleppung in Transportmitteln und im Weiteren auch in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung kommen. Im Verlauf einer Krise führt dies im ungünstigsten Fall zu einem Ausfall dieser Infrastruktur.

Transport infektiöser Personen

Der Transport infektiöser Patienten durch den Rettungsdienst folgt meist einer anderen Logik als bei C- und RN-Lagen. Da der Patient den Erreger stetig ausscheidet, ist eine Dekontamination häufig nicht sinnvoll. Diese Transporte setzen gewisse Schutzmaßnahmen voraus. Die Akteure des Rettungsdienstes erstellen hierzu Hygienepläne. Diese sollten in Zusammenarbeit und in Abstimmung mit den verantwortlichen Personen im Gesundheitsamt erarbeitet werden.

Der Umfang der notwendigen Schutzmaßnahmen muss sich an einer Einstufung des Patienten orientieren. Das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung in Nordrhein-Westfalen hat hier Informationen veröffentlicht zu Infektionsgefährdung im Rettungsdienst.

Dekontamination kontaminierter Personen

Bei Personen, die äußerlich mit Erregern kontaminiert wurden, ist eine Dekontamination vor einem Transport hingegen sinnvoll, um eine Kontaminationsverschleppung zu verhindern. Exemplarisch sei der Transport einer Person genannt, die mit einer unbekannten biologischen Substanz in Kontakt gekommen ist. Dieser Patient ist zu dekontaminieren. Es ist davon auszugehen, dass alleine durch Entfernung der Kleidung ein Großteil der Kontamination entfernt werden kann. Der Körper ist anschließend mit reichlich Wasser und Seife mechanisch zu reinigen. Das Duschwasser sollte – wenn möglich – aufgefangen und einer gesonderten Dekontamination zugeführt werden (z.B. chemisch oder thermisch). Eine dekontaminierte Person gilt trotzdem weiterhin als ansteckungsverdächtig.

Spezifische Informationen hat das RKI hier zum Thema “Pulverfund” veröffentlicht.

Transportkapazitäten in der Krise

In Vorbereitung auf eine Krise ist es notwendig, sich im zuständigen Rettungsdienst zu informieren, welche Schutzmaßnahmen umgesetzt werden und welche Erkrankungsfälle in welcher Anzahl sicher transportiert werden können.

Es müssen bei der Verfügbarkeit von Rettungsmitteln auch Ausfallzeiten durch Desinfektion bedacht werden. Der Ausfall von Personal im Rahmen von Ausbruchsgeschehen sollte bedacht werden.

  • Welche Kapazitäten kann der zuständige Rettungsdienst im Rahmen von Infektionstransporten realistisch zur Verfügung stellen?

  • Welche weiteren Kapazitäten können, z.B. im Rahmen der überörtlichen Hilfe, in welcher Zeit mobilisiert werden?

  • Sind Meldewege und Zuständigkeiten geklärt?

Sonderisolier- oder Hochinfektionstransport

Regelmäßig wird es auf lokaler Ebene nicht möglich sein, Patienten mit lebensbedrohlichen hochansteckenden Erkrankungen sicher zu transportieren. Zu diesen Erkrankungen zählen z.B.

  • Lungenpest

  • Pocken

  • virale hämorrhagische Fieber

Allein der Verdacht auf eine dieser Erkrankungen sollte zu einem Transport mit angemessenen Schutzmaßnahmen führen. Ziel dieser Transporte ist in der Regel eine Sonderisolierstationen (SIS).

Für diese sogenannten Sonderisoliertransporte (SIT) oder Hochinfektionstransporte (HIT) werden an einzelnen Standorten in Deutschland Sonderfahrzeuge (Infektionsrettungswagen), speziell geschultes Personal und besondere Schutzausrüstungen vorgehalten. Es gibt allerdings keinen einheitlichen Standard. Aufgrund häufiger Anfragen beim Robert Koch-Institut wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass für den primären Schutz des Personals in erster Linie die Einhaltung von Schutzmaßnahmen, wie z.B. korrekter Einsatz der PSA, und weniger das Transportmittel entscheidend ist. Der Vorteil von SIT und HIT besteht in der besseren Dekontaminierbarkeit des Fahrzeugs, da es mit glatten, gut dekontaminierbaren Oberflächen ausgestattet ist. Wird ein herkömmlicher RTW verwendet, sollten möglichst vorher die medizinischen Geräte ausgebaut werden, die nicht benötigt werden, da diese schwer zu dekontaminieren sind und meistens auch vom Hersteller keine Garantie übernommen wird, dass diese nach einer Dekontamination zuverlässig arbeiten.

Die Durchführung von SIT/HIT ist logistisch sehr aufwendig, und es wird ein erheblicher zeitlicher Vorlauf benötigt. Die Menge an durchführbaren SIT/HIT ist in ihrer Anzahl sehr begrenzt. Die Standorte der verfügbaren SIT/HIT sind entsprechend in dem Ständigen Arbeitskreis der Kompetenz- und Behand­lungs­zentren für Krankheiten durch hoch­patho­gene Erreger (STAKOB) bekannt.

Proben

Probenahme

Grundsätzlich sind die klinische Probenentnahme und die Umweltprobenahme zu unterscheiden. Auf die klinische Probenahme wird im Folgenden nicht weiter eingegangen, da sie zur täglichen Routine gehört. Sollte sich ein ungewöhnlicher klinischer Fall ergeben, der eine besondere Probenahme erforderlich macht, besteht die Möglichkeit, sich von Experten des STAKOB beim RKI beraten zu lassen.

Auch bei Umweltkontamination ist eine qualifizierte Probenahme die Voraussetzung für eine erfolgreiche Probenuntersuchung. Im Vorfeld sollte mit einem geeigneten Labor abgestimmt werden, welche Probe wie und in welcher Menge genommen werden soll. Zudem muss sichergestellt sein, dass das Labor Umweltproben bearbeiten kann. Wird ein (bio-)terroristischer Anschlag vermutet, bei dem zusätzlich die Täter ermittelt werden müssen, ist, um eine Vernichtung wichtiger Spuren zu vermeiden, zudem eine enge Abstimmung mit den zuständigen Polizeibehörden notwendig. Unter Umständen ist auch geschultes Personal für die Probenentnahme erforderlich. Es ist nicht zwingend davon auszugehen, dass jedes Gesundheitsamt dazu sofort in der Lage ist.

Im Gegensatz zu chemischen, radioaktiven und nuklearen Stoffen ist eine Echtzeitdetektion biologischer Agenzien bisher nicht zuverlässig möglich. Kommerziell erhältliche Schnelltests zur Umweltanalytik weisen, auch wenn sie sich stetig verbessern, momentan noch eine zu hohe Anzahl an falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen auf.

Da die Probennahme in einem kontaminierten Umfeld erfolgt, ist Selbstschutz notwendig (s. Arbeitsschutz/PSA) sowie TRBA 130. Auch die anschließende Dekontamination beim Verlassen des Probenahmeortes muss vor Betreten des kontaminierten Bereichs geklärt werden. Hierzu sollte das Gesundheitsamt, sofern es die Probennahme nicht selber durchführen will oder kann, mit den örtlichen Feuerwehren im Vorfeld Absprachen treffen. Weitere Informationen hat das BBK veröffentlicht mit den Empfehlungen für die Probenahme zur Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz. In ihm wird die Probenahme bei chemischen, biologischen und radioaktiven Kontaminationen beschrieben. Die Europäische Kommission hat zu dem Thema den Leitfaden Biological Incident Response & Environmental Sampling zur biologischen Probenahme publiziert.

Probentransport

Der Transport von Gefahrgut - darunter fallen auch CBRN-Proben - wird durch das Europäische Übereinkommen zur internationalen Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route, ADR) geregelt. Das ADR wird alle 2 Jahre überarbeitet, daher ist darauf zu achten, die aktuellste Ausgabe zu verwenden.

Verantwortlichkeiten

Gefahrstoffe werden verschiedenen Gefahrgutklassen zugeordnet, für die konkrete Kennzeichnungs-, Verpackungs- und Beförderungsrichtlinien vorgeschrieben sind. Der Absender ist nach §18 der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) verantwortlich für die ordnungsgemäße Klassifizierung und die Einhaltung der dazu gehörenden Transportvorschriften. Im Zweifelsfall ist dies die Leitung der versendenden Institution und damit z.B. der/die Leiter/in des Gesundheitsamtes.

Ausführliche Erläuterung zum korrekten Versand werden dargestellt im Leitfaden der Weltgesundheitsorganisation Guidance on regulations for the Transport of Infectious Substances:

  • Klassifizierung der Sendung

  • Korrekte Verpackung der Sendung

  • Korrekte Kennzeichnung der Sendung

  • Korrekte Markierung der Sendung

  • Originaldokumentation für die Sendung

  • Vorlage der notwendigen Einfuhrgenehmigungen

  • Vorbereitende Vorkehrungen gegenüber dem Beförderungsunternehmen, um zu gewährleisten, dass die Sendung für den Transport akzeptiert wird und die Beförderung auf der direkten bzw. schnellsten Route erfolgt.

Klassifizierung

Für chemische Stoffe gelten, je nach Beschaffenheit des Stoffes, die Gefahrgutklassen (teilweise mit Unterklassen):

Klasse 2 - Gase und gasförmige Stoffe

Klasse 3 - entzündbare flüssige Stoffe

Klasse 4 - entzündbare feste Stoffe

Klasse 5 - entzündend (oxidierend) wirkende Stoffe

Klasse 6.1 - giftige Stoffe

Klasse 8 - ätzende Stoffe

Für radiologisch-nukleare Stoffe gilt die Gefahrgutklasse 7 - radioaktive Stoffe.

Biologische Stoffe werden der Gefahrgutklasse 6.2 - Ansteckungsgefährliche Stoffe zugeordnet. Ansteckungsgefährliche Stoffe im Sinne des ADR sind Stoffe, von denen bekannt oder anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger enthalten.

Biologische Proben werden noch einmal unterteilt in:

  • Klasse 6.2 Kategorie A: Ein ansteckungsgefährlicher Stoff, der in einer solchen Form befördert wird, dass er bei einer Exposition bei sonst gesunden Menschen oder Tieren eine dauerhafte Behinderung oder eine lebensbedrohende oder tödliche Krankheit hervorrufen kann. Eine Liste der Erreger ist im Annex 2 der Weltgesundheitsorganisation Guidance on regulations for the Transport of Infectious Substances zu finden. Bei Erregern der Kategorie A fallen auch Krankenhausabfälle unter die Klassifizierung (UN 2814 oder UN 2900) und die Verpackungsvorschrift (Verpackung: P 620).

  • Klasse 6.2 Kategorie B: Ein ansteckungsgefährlicher Stoff, der den Kriterien für eine Aufnahme in Kategorie A nicht entspricht. (Klassifizierung: UN 3373; Verpackung: P 650)

Freigestelle medizinische Probe: Stoffe, die keine ansteckungsgefährlichen Stoffe enthalten, oder Stoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie bei Menschen oder Tieren Krankheiten hervorrufen, unterliegen nicht den Vorschriften des ADR, es sei denn, sie entsprechen den Kriterien für die Aufnahme in eine andere Klasse. Hierbei handelt es sich z.B. um nicht-pathogene oder inaktivierte Mikroorganismen oder um Proben mit Erregern in Konzentrationen, wie sie in der Natur vorkommen. (ohne UN-Nummer; Verpackung: auf Basis P 650)

Verpackungsvorschriften

Die Verpackungen sind grundsätzlich 3-teilig. Die hauptsächlichen Unterschiede liegen in den unterschiedlichen Prüfanforderungen, die die Verpackungen erfüllen müssen. Sie liegen vor in:

  • (einem) flüssigkeitsdichten Primärgefäß(en); umgeben von saugfähigem Material in einer für die Aufnahme des gesamten Inhalts ausreichenden Menge

  • einer flüssigkeitsdichten Sekundärverpackung (außer bei festen Stoffen)

  • einer starren Außenverpackung

Abbildung 9: Probenmaterial klassifizieren nach Verpackungsvorschrift (Quelle: RKI)
Abbildung 9: Probenmaterial klassifizieren nach Verpackungsvorschrift (Quelle: RKI)

Notfallbeförderung

Eine Freistellung von den Vorschriften des ADR ist bei einer Notfallbeförderung möglich :

“Notfallbeförderungen zur Rettung menschlichen Lebens oder zum Schutz der Umwelt, vorausgesetzt es werden alle Maßnahmen zur völlig sicheren Durchführung dieser Beförderungen getroffen.” (Unterabschnitt 1.1.3.1e ADR)

Die Notfallbeförderung befreit daher nicht von einer sicheren Verpackung. Einige Transportunternehmen bieten an, die Verpackungen mitzubringen und die Probe auch selber zu verpacken. Hier sollten im Vorfeld Absprachen mit Transportunternehmen getroffen werden.

Im Falle der Primärproben bei einem bioterroristischen Anschlag oder bei einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung, bei der nicht auf ein offiziell für den Gefahrguttransport gekennzeichnetes Fahrzeug mit entsprechend geschulten Fahrern zurückgegriffen werden kann, ist eine Notfallbeförderung mit einem Einsatzfahrzeug von Rettungsdienst, Feuerwehr oder Polizei möglich.

Kontaktminimierende Maßnahmen

Bei Infektionskrankheiten, die über Tröpfchen und/oder Schmierinfektion übertragen werden, kann durch kontaktminimierende Maßnahmen die Ausbreitung vermindert werden. Hierzu gehören vor allem eine strikte Händehygiene, eine Husten- und Nies-Etikette sowie Abstand (1-2m) halten.

Um kontaktminimierende Maßnahmen zielgerichtet anzuwenden, empfiehlt es sich, relevante Einrichtungen und Veranstaltungen zu identifizieren.

Je nach Erreger und besonders empfänglicher Gruppe können diese variieren, typische Einrichtungen sind z.B.:

  • Schulen / Kindergärten

  • Pflegeeinrichtungen

  • Großküchen

Bei Großveranstaltungen wie Messen, Konzerten, Sportveranstaltungen können als Kriterien für die Beschränkung herangezogen werden:

  • Besteht die Möglichkeit Abstandsregelungen und sonstige Hygienemaßnahmen einzuführen, oder kann die Teilnehmerzahl so reduziert werden, dass dieses möglich wird?

  • Wie ist die Belüftung des Veranstaltungsortes?

  • Ist ein Eingangsscreening möglich?

  • Können Personen mit akuten erregertypischen Symptomen ausgeschlossen werden?

  • Kann die Veranstaltung verschoben werden?

Das RKI hat dazu Allgemeine Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung für Großveranstaltungen veröffentlicht.

Therapie und Impfkonzept

Zu den wichtigsten präventiven Maß­nah­men, die es im medizinischen Bereich gibt, gehören Impfungen. Da moderne Impfstoffe sehr risikoarm sind und einen sehr hohen Schutz bewirken, ist es inbesondere für medizinisches Personal sinnvoll, Impfangebote anzunehmen, um im Falle eines Krankheitsausbruchs geschützt zu sein. Auch die Impfung gegen andere Krankheiten kann sinnvoll sein, um nicht aufgrund ähnlicher Krankheitssymptomatik als krankheitsverdächtig zu gelten. Für den Schutz der Bevölkerung sind hohe Impfquoten anzustreben, da diese es verhindern, dass sich Krankheitserreger ausbreiten. Bei den humanen Pocken ist es durch sehr hohe Impfquoten sogar gelungen, die Krankheit vollständig zu eliminieren. Aktuell wird dieses Ziel bei Masern und Polio angestrebt.

Bei neuen Krankheitserregern ist davon auszugehen, dass ein Impfstoff nicht (sofort) zur Verfügung stehen wird, sondern erst entwickelt werden muss. Dies kann bei Impfstoffen, die grundsätzlich schon zugelassen sind und die nur auf den aktuellen Erreger angepasst werden müssen, innerhalb weniger Monate gehen (z.B. Influenza). Bei anderen Impfstoffen kann die Entwicklung Monate bis Jahre dauern, dem folgt noch ein längerer Zulassungsprozess, der sicherstellen soll, dass keine unerwünschten Nebenwirkungen bei dem Impfstoff auftreten.

Therapiekonzepte sind bei zahlreichen Krankheiten verfügbar. Jedoch auch hier ist damit zu rechnen, dass bei neu auftretenden oder bei sehr selten auftretenden Krankheiten keine Therapieoptionen bekannt sind und erst im Laufe der Erkrankungen in Studien entwickelt werden können. Die ersten Patienten können daher nur mittels supportiver Therapie und in Einzelfällen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs therapiert werden.

Ziel zu Beginn eines Ausbruchs einer Krankheit, für die kein Impfstoff und kein spezielles Therapeutikum besteht, ist es daher, den Ausbruch durch seuchenhygienische Maßnahmen so lange hinauszuzögern, bis Impfstoffe oder Medikamente zur Verfügung stehen. Für den Fall sollten Konzepte erarbeitet werden, wie die Medikamente oder Impfstoffe am schnellsten und sichersten der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden können. Konzepte hierzu wurden beispielsweise im Rahmen der Vorsorge eines Ausbruchs von humanen Pockenviren deutschlandweit erstellt.

Umgang mit Leichen

Leider wird es sich auch in einer Krisensituation nicht verhindern lassen, dass Menschen sterben werden. Dies kann in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst darstellen: durch eine hohe Anzahl sowie durch eine Kontagiosität der Leichname. Für beide Notfallsituationen sollten entsprechende Krisenpläne erarbeitet werden. Landesrechtliche Bestimmungen sind zu beachten.

Hohe Anzahl von Verstorbenen

Um eine angemessene Aufbewahrung und Bestattung auch bei einer hohen Anzahl von Verstorbenen gewährleisten zu können, sollte eruiert werden, ob und wo es im Zuständigkeitsbereich kühle Räumlichkeiten gibt, um Verstorbene bis zur Beisetzung so aufzubewahren, dass es möglichst ethisch ist, von den Verstorbenen aber auch keine Gefahr für die Allgemeinbevölkerung ausgeht.

Kontagiöse Leichname

Bei manchen Krankheiten ist bekannt, dass die Leichname noch eine hohe Erregeranzahl aufweisen und somit zur Gefahr für alle Personen werden, die mit ihnen umgehen müssen. Ausschlaggebend für die Infektiosität von Verstorbenen sind die Art des Erregers, der mögliche Übertragungsweg und die zeitliche Überlebensfähigkeit des Erregers in Körperflüssigkeiten oder im Körper eines Verstorbenen. Auf eine innere Leichenschau sollte daher möglichst verzichtet werden. Wenn Sie zwingend notwendig ist, sollte sie unter den Bedingungen der Sicherheitsstufe 3 oder 4 durchgeführt werden. Das mit der Leichenschau beauftragte Personal ist mit PSA auszustatten und sollte im Umgang mit PSA geschult sein.

Religiöse und weltanschauliche Wünsche sind grundsätzlich zu respektieren. Bei einem hochpathogenen Erreger ist jedoch von einer rituellen Waschung, einer Aufbahrung des Verstorbenen, dem Abschiednehmen am offenen Sarg und von einer Erdbestattung generell abzuraten. Ebenso sollten eventuell vorhandene Implantate wie Herzschrittmacher nicht entfernt werden, müssen aber bei der Feuerbestattung berücksichtigt werden.

Der Verstorbene sollte vollständig mit einem speziellen Absorbens bestreut werden, um austretende Körperflüssigkeiten zu binden. Anschließend ist der Verstorbene in zwei formalingetränkte Tücher (10%ige Lösung) zu hüllen und in zwei gut verschließbare, flüssigkeitsdichte, nach den Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) normierte Leichenhüllen aus Kunststoff („bodybag“) zu legen. Nachdem die Hüllen mit flüssigkeitsdichtem Klebeband verschlossen wurden, ist notwendig, diese von außen mit einem geeigneten Desinfektionsmittel zu desinfizieren (siehe Kapitel Desinfektion). Der so verpackte Leichnam kann ausgeschleust und eingesargt werden, wobei der Boden des zu verwendenden Holzsarges mit einer ausreichend hohen Schicht (mindestens 5 cm) aufsaugender Stoffe (Sägemehl, Hobelspäne, Vlies u.ä.) bedeckt sein muss. Der Leichnam ist der Feuerbestattung zuzuführen. Eine zweite Leichenschau sollte möglichst unterlassen oder bereits bei der Einsargung unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden.

Entsorgungsmanagement

Die entstehenden Abfälle sollten möglichst in unmittelbarer Nähe des Anfallortes der Abfälle desinfiziert werden. Gegenstände, die mit Erregern, die auch  aufgrund §17  Infektionsschutzgesetz besondere Beachtung erfordern, kontaminiert sind und die nicht sicher desinfiziert werden können, sind gemeinsam mit der benutzten und dekontaminierten PSA nach Abfallschlüssel 180103* zu entsorgen.

Für den Transport zur Sonderabfallverbrennungsanlage (SAV) muss entsprechend dem ADR der mit L4-Erregern kontaminierte Abfall grundsätzlich nach der Verpackungsvorschrift P620 mit der Kennzeichnung UN 2814 verpackt werden. Da in der Praxis hierzu aktuell nicht ausreichend große Behältnisse zur Verfügung stehen, kann der Abfall verpackt werden entsprechend der multilateralen Vereinbarung M315. Der Transport von ansteckungsgefährlichen Stoffen ist im Wesentlichen durch das ADR geregelt und erfolgt als Klasse 6.2, Kategorie A.

Für die Verbrennung von Abfällen aus Gesundheitseinrichtungen, die mit Erregern der Risikogruppe 4 kontaminiert sind, sind in SAV zusätzlich zu den oben genannten Vorgaben keine weiteren Sonderregelungen notwendig. Aus bestehenden Verträgen oder Andienungsverpflichtungen zu diesem Abfallschlüssel leitet sich für den Betreiber der SAV eine Entsorgungsverpflichtung ab.

Bei Erregern, die nicht unter die ADR Klasse 6.2 Kat. A Infectious Substances fallen bzw. bei denen ausschließlich Kulturen unter die Kat. A fallen, kann der Krankenhausabfall wie anderer infektiöser Abfall nach der Verpackungsvorschrift UN 3291 verpackt und entsprechend der Mitteilung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 18 zur Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes der Entsorgung zugeführt werden.

Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden, können nach AS 18 01 04 entsorgt werden.