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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. Prüfungsunfähigkeit in der amtsärztlichen Begutachtung
    1. Rechtsgrundlage
    2. Zeitpunkt der Begutachtung
    3. Begutachtungsablauf
    4. Abfassung und Ausfertigung des Gutachtens
    5. Retrospektive Feststellung der Prüfungsunfähigkeit
  2. Nachteilsausgleich
    1. Rechtsgrundlage
    2. Ablauf der Begutachtung
    3. Ausfertigung des Gutachtens
  3. Abgabetermin zur Verlängerung für schriftliche Arbeit - aus gesundheitlichen Gründen

Prüfungsunfähigkeit in der amtsärztlichen Begutachtung

Versäumt ein Prüfling eine wichtige Prüfung wegen Krankheit, kann die prüfende Einrichtung eine ärztliche Begutachtung verlangen, die Gründe, bzw. Symptome auflistet, die zur Prüfungsunfähigkeit geführt haben. Dabei sollten konkrete Gründe der Beeinträchtigung so dargestellt werden, dass diese auch für Nichtmediziner nachvollziehbar sind.

Allerdings kann nur der Prüfungsausschuss oder eine ähnliche Institution eine “krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit” - d.h. wenn die zu prüfende Leistungsfähigkeit des Prüflings durch eine Gesundheitsstörung erheblich beeinträchtigt oder gemindert ist - aufgrund der vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung bestätigen.

Rechtsgrundlage

Bei den Begutachtungen zur Prüfungsunfähigkeit handelt es sich um amtsärztliche Gutachten, d.h. es muss eine Rechtsgrundlage zur Erstellung des Gutachtens vorhanden sein. Rechtsgrundlagen können beispielsweise Prüfungsordnungen für Staatsexamina von Universitäten, Hochschulen oder anderen Institution sein. Bei Zweifeln an der rechtlichen Grundlage wird der Prüfling ersucht, die entsprechende Prüfungsordnung vorzulegen.

Es gilt die örtliche Zuständigkeit, d.h. Prüflinge können in einem Gesundheitsamt nur begutachtet werden, wenn sie dort auch ihren Wohnsitz haben, ansonsten ist das am Wohnort des Prüflings zuständige Gesundheitsamt für die Begutachtung zuständig. Eine Ausnahme kann nur gemacht werden, wenn der Verweis an das zuständige Gesundheitsamt für den Prüfling nicht zumutbar ist. Dieses ist bei den umliegenden, d.h. Stadt oder Landkreis angrenzenden, Gesundheitsämtern regelmäßig nicht der Fall. Sollte im Einzelfall aufgrund der Nichtzumutbarkeit eine Begutachtung für ein anderes Gesundheitsamt übernommen werden, so ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Gesundheitsamtes per Fax einzuholen.

Folgende Angaben sind zwingender Bestandteil eines Gutachtens zur Prüfungsunfähigkeit:

  • Datum der Untersuchung

  • Prüfungsfach, Studienfach

  • Art der Prüfung: schriftlich, mündlich, praktisch

  • Datum und Dauer der Prüfung

  • Art der vorgelegten auswärtig erstellten und einbezogenen ärztlichen Unterlagen

  • Angaben zur prüfungsrelevanten Krankengeschichte

  • Untersuchungsbefund

  • Diagnose (in Einzelfällen, v.a. wenn psychiatrische Diagnosen als beschämend empfunden werden, können diese mit Symptomen funktionell umschrieben werden)

  • Zusammenfassende Beurteilung, mit Aussage ob der Proband psychisch und physisch dazu in der Lage ist, den Belastungen der Prüfung stand zu halten

  • Bei Studierenden der Human-, Tier- oder Zahnmedizin muss das Wort „Prüfungsfähigkeit“ bzw. „Prüfungsunfähigkeit“ im Gutachten i.d.R. explizit erwähnt sein.

  • Prognostische Angaben

Zeitpunkt der Begutachtung

Die Untersuchung findet grundsätzlich am Prüfungstag statt, da an diesem Tag die Begutachtung mit der größten Beurteilungssicherheit erfolgen kann. Nur bei Erkrankungen mit einer hohen prognostischen Sicherheit kann im Ausnahmefall eine Begutachtung früher erfolgen, z.B. distale Unterarmfraktur rechtsseitig bei Rechtshändigkeit eine Woche vor der Prüfung.

Die Entscheidung darüber, wann die Begutachtung durchgeführt wird, trifft der zuständige Gutachter.

Prüfungsunfähigkeit bei Prüfungen, die auf einem Samstag liegen, können am Freitag vorher begutachtet werden, falls sinnvoll. Ansonsten ist der nächste Werktag anzustreben.

Begutachtungsablauf

Wenn sich der Prüfling telefonisch vorab informiert, sollte ihm folgendes mitgeteilt werden:

  1. Begutachtung erfolgt nach Terminvergabe in der Regel am Prüfungstag

  2. Mitzubringen sind:

  • Alle Untersuchungsbefunde einschließlich Röntgenaufnahmen der behandelnden Ärzte und Kliniken zur geltend gemachten Erkrankung

  • Gültige Personalpapiere

  • Bargeld für die Gebühren

  • ggf. Auszug aus der Prüfungsordnung, aus dem hervorgeht, dass ein amtsärztliches Gutachten erforderlich ist.

Wenn sich der Prüfling ohne telefonische Vorinformation persönlich am Prüfungstag anmeldet, müssen oben genannte Unterlagen ggf. nachgereicht werden.

3. Je nach Fachlichkeit wird der Prüfling von einer amtsärztlich begutachtenden Person (z.B. Psychiater/in, Chirurg/in) begutachtet.

Mit Einverständniserklärung des Prüflings wird ein spezifischer Anamnesebogen zum aktuellen Krankheitsgeschehen ausgegeben, der Fragen zum aktuellen Krankheitsgeschehen und, wie es die aktuelle Prüfungssituation beeinflusst, enthält. Danach erfolgt die ärztliche Untersuchung. Bei der Anamneseerhebung muss geklärt werden, um welche Art Prüfung es sich handelt (mündlich, schriftlich, praktisch und die Länge der Prüfung).

Eine symptombezogene körperliche Untersuchung kann ausreichend sein. Die Entscheidung hierüber fällt die/der Gutachter/in.

Nach der Untersuchung wird, wenn möglich, das Ergebnis dem Prüfling mitgeteilt, wobei eine Information darüber erfolgen soll, dass die eigentliche Prüfungsunfähigkeit (Rechtsbegriff) vom Prüfungsamt festgestellt wird (Ausnahme: medizinische Staatsexamen).

Abfassung und Ausfertigung des Gutachtens

Folgende Inhalte müssen im Gutachten aufgeführt werden:

  • Datum der Untersuchung

  • Art der vorgelegten, auswärtig erstellten und einbezogenen ärztlichen Unterlagen (fachärztlich, hausärztlich, andere)

  • Angaben zur prüfungsrelevanten Krankengeschichte

  • Angaben zum Untersuchungsbefund, die das Prüfungsamt in die Lage versetzt, Prüfungsunfähigkeit festzustellen.

  • Die Diagnose darf genannt werden, da das Gutachten regelmäßig dem Prüfling ausgehändigt wird. Dieser entscheidet, ob er das Gutachten weitergibt. Damit besteht keine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht. Falls die Diagnose im Einzelfall nicht genannt werden soll, können die Leistungseinschränkungen beschrieben werden ( sogenannte Funktionelle Diagnose)

  • Zusammenfassende Beurteilung, mit Aussage darüber, ob der Prüfling aus amtsärztlicher Sicht psychisch und physisch in der Lage ist, die Belastungen der Prüfung auszuhalten.

  • Bei Studierenden der Human-, Tier- und Zahnmedizin muss das Wort Prüfungsfähigkeit, bzw. Prüfungsunfähigkeit im Gutachten auftauchen.

  • Prognostische Angaben (z.B. zum Wiedereintritt der Prüfungsfähigkeit) können gemacht werden.

Mit dem Probanden wird ein Termin zur Abholung des Gutachtens vereinbart, das sehr zeitnah erstellt werden sollte.

Retrospektive Feststellung der Prüfungsunfähigkeit

Eine retrospektive Feststellung der Prüfungsunfähigkeit ist umso schwieriger, je länger der Prüfungszeitpunkt bereits vergangen ist.

Sie ist nur möglich, wenn anhand eindeutiger ärztlicher Untersuchungsbefunde vom Prüfungstag (Krankenhausberichte, Arztbriefe u.ä.) die Prüfungsunfähigkeit im Nachhinein noch beweisbar ist.

Nachträglich ausgestellte ärztliche Atteste reichen im Allgemeinen nicht aus, die Prüfungsunfähigkeit im Nachhinein zu bestätigen. Ist eine Prüfungsunfähigkeit nicht mehr mit Sicherheit festzustellen, so formuliert der Gutachter das auch so im Gutachten.

Prüfungen, die begutachtet werden sind u.a. Staatsexamen, Diplomprüfungen, Master- und Bachelorprüfungen, Prüfungen in Verwaltungsbeamten-Ausbildungsgänge und Nachteilsausgleich.

Nachteilsausgleich

Der «Nachteilsausgleich» umfasst individuelle Maßnahmen, die Benachteiligungen von Lernenden mit Behinderung vermeiden oder verringern sollen. Dabei handelt sich um formelle Anpassungen der Lern- und Prüfungsbedingungen ohne Modifikation der Lern-, bzw. Ausbildungsziele.

Massnahmen für Nachteilsausgleich können auf allen Bildungsstufen zur Anwendung kommen. Alle Personen mit einer Behinderung haben Anrecht auf Nachteilsausgleich. Bedarf setzt ein amtsärztliches Attest voraus.

Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlagen für den Nachteilsausgleich finden sich in den einschlägigen Prüfungsordnungen oder im Beamtengesetz.

Es handelt sich um amtsärztliche Gutachten, bei denen die örtliche Zuständigkeit gilt, d.h. müssen ihren Wohnsitz am Ort haben, ansonsten ist das für sie zuständige Gesundheitsamt für die Begutachtung zuständig.

Eine Ausnahme kann nur gemacht werden, wenn der Verweis an das zuständige Gesundheitsamt für den Prüfling nicht zumutbar ist. Dieses ist bei den umliegenden Gesundheitsämtern regelmäßig nicht der Fall. Sollte im Einzelfall aufgrund der Nichtzumutbarkeit eine Begutachtung für ein anderes Gesundheitsamt übernommen werden, so ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Gesundheitsamtes per Fax einzuholen.

Bestehen Zweifel an der Zuständigkeit des Gesundheitsamtes bei der Feststellung des Nachteilsausgleichs, so muss der Prüfling die Rechtsgrundlage vorlegen, aus der die Zuständigkeit hervorgeht. Ein Schreiben der Universität oder eines Prüfungsamtes allein, dass ein amtsärztliches Gutachten erforderlich ist, reicht nicht aus.

Ein Nachteilsausgleich kann in Form zusätzlicher Pausen, einer Schreibzeitverlängerung, des Diktierens der schriftlichen Prüfung oder in Ausnahmefällen des Ablegens der schriftlichen Prüfung am Computer erfolgen. Die Entscheidung über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs trifft das Prüfungsamt, die begutachtende Person des Gesundheitsamtes spricht eine Empfehlung aus.

Ein Nachteilsausgleich gleicht in aller Regel Folgen und dadurch entstehende Nachteile einer chronischen Erkrankung oder Behinderung aus. Er darf nicht zu einem Vorteil für den Prüfling werden.

Bagatellerkrankungen oder Erkrankungen, die nicht zu einem Nachteil in der Prüfung führen, werden vom Nachteilsausgleich nicht erfasst. Die begutachtende Person entscheidet allein, welche Form des Nachteilsausgleichs erforderlich ist, die Wünsche des Prüflings sind nicht einzubeziehen.

So sind beispielsweise bei chronischen Sehnenreizungen an den Händen (Sehnenscheidenentzündungen usw.) Pausenregelungen zu empfehlen, die zeitlich im Gutachten festgelegt werden. Prüfungszeitverlängerungen kommen hier nicht in Betracht, wohl aber z.B. bei Spastiken in der Schreibhand, nachgewiesenen Vorliegen einer Legasthenie o.ä.. Der Prüfling hat dem Prüfungsamt und damit auch der begutachtenden Person nachzuweisen, dass ein Nachteilsausgleich erforderlich ist (Beweispflicht).

Ablauf der Begutachtung

Die Prüflinge werden möglichst nach Fachlichkeit den amtsärztlichen begutachtenden Personen zugeteilt. Die begutachtende Person informiert den Prüfling bereits beim ersten telefonischen Kontakt darüber, dass folgende Unterlagen bei der Begutachtung am Untersuchungstag vorgelegt werden müssen:

  • gültige Ausweispapiere

  • alle vorhanden medizinischen Unterlagen zur geltend gemachten Erkrankung, insbesondere Arztbriefe, Krankenhausberichte, Röntgenbilder, technische Untersuchungsbefunde. Ein Attest der behandelnden Ärztinnen oder Ärzte kann verlangt werden, ist jedoch nicht immer erforderlich.

  • Höhe der Gebühren, die am Untersuchungstag zu entrichten sind oder per Rechnung verlangt werden

  • in Zweifelsfällen ein Auszug aus der geltenden Prüfungsordnung, aus der hervorgeht, dass ein amtsärztliches Gutachten erforderlich ist

  • Zeitpunkt der Prüfung und Art der Prüfung (schriftlich, mündlich, praktisch)

Betrifft der Nachteilsausgleich einen Nachteil, der in einer schriftlichen Prüfung wirksam wird, so sollte die Begutachtung spätestens sechs Wochen vor Beginn der Prüfung erfolgen, damit das Prüfungsamt die amtsärztlich empfohlenen Maßnahmen noch rechtzeitig umsetzen kann.

Der Prüfling meldet sich am vereinbarten Untersuchungstermin an und erhält den Anamnesebogen mit Einverständniserklärung für Prüflinge, die er dann ausfüllt.

Anschließend erfolgt die ärztliche Untersuchung. Bei der Anamneseerhebung muss geklärt werden, um welche Art Prüfung es sich handelt (mündlich, schriftlich, praktisch, Prüfungsblock, Länge der Prüfung).

Eine symptombezogene körperliche Untersuchung kann ausreichend sein, die Entscheidung hierüber fällt der Gutachter.

Nach der Untersuchung wird, wenn möglich, dem Probanden das Ergebnis mitgeteilt.

Grundlage für die Entscheidung, welche Form des Nachteilsausgleichs empfohlen wird, ist immer der Ausgleich des festgestellten Nachteils, nicht der Wunsch des Probanden.

Ausfertigung des Gutachtens

Folgende Inhalte müssen im Gutachten aufgeführt werden:

● Datum der Untersuchung

● Art der vorgelegten auswärtig erstellten und einbezogenen ärztlichen Unterlagen (fachärztlich, hausärztlich, andere)

● Angaben zur prüfungsrelevanten Krankengeschichte

● Angaben zum Untersuchungsbefund, die das Prüfungsamt in die Lage versetzt, die Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs zu erkennen

● Die Diagnose darf genannt werden, da das Gutachten regelmäßig dem Prüfling

ausgehändigt wird. Dieser entscheidet, ob er das Gutachten weitergibt. Damit wird die ärztliche Schweigepflicht nicht verletzt.

● Zusammenfassende Beurteilung mit einer Aussage darüber, ob der Proband aus

amtsärztlicher Sicht einen Nachteilsausgleich benötigt und wenn ja, in welcher Form.

Bei Pausenregelungen muss die Anzahl der Pausen, deren einzelne Länge und der zeitliche Umfang der einzelnen Pause angegeben werden (z.B. 10 Minuten Pause nach 90, 180 und 360 min Schreibzeit).

Bei einer Schreibzeitverlängerung wird die Zeit angegeben, um die die Einzelprüfung verlängert werden soll. Sie soll im Regelfall 25% der Prüfung nicht überschreiten, kann aber im besonders schweren Einzelfall bis zu 50% Verlängerung betragen.

Soll im Rahmen eines Nachteilsausgleichs die Prüfung diktiert werden, so ist keine zusätzliche Schreibzeitverlängerung zu empfehlen, da die Tatsache, dass das Diktieren möglicherweise nicht so schnell geht wie das selbst Schreiben, keine medizinische Begründung ist.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass für den Nachteilsausgleich „Schreiben mit dem Computer“ bei den juristischen Staatsprüfungen strenge Randbedingungen gelten, die einzuhalten sind. Schreiben am Computer kommt beispielsweise in Frage für blinde oder hochgradig sehbehinderte Prüflinge, die auf dem Computer eine Spezialsoftware zum Ausgleich ihrer Behinderung installiert haben.

Das Gutachten sollte direkt nach der Untersuchung diktiert und ausgefertigt werden, um es dann dem Prüfling mitgegeben zu können. Das Gutachten kann auch zugesandt oder einige Tage später persönlich abgeholt werden.

Abgabetermin zur Verlängerung für schriftliche Arbeit - aus gesundheitlichen Gründen

Das Gesundheitsamt ist nur für schriftliche Arbeiten zuständig, die in direktem Zusammenhang mit Staatsprüfungen, Diplomen, Master- oder Bachelorarbeiten stehen.

Die geltend gemachte Erkrankung muss vom Prüfling nachgewiesen werden (, z.B. anhand von Untersuchungsbefunden, Röntgenaufnahmen o.ä.). Die Zeit, die aus Sicht des Amtsarztes erforderlich ist, um den Nachteil der Erkrankung auszugleichen, ist im Gutachten anzugeben. Auch hier gilt, dass aus einem Nachteilsausgleich kein Vorteil für den Prüfling werden darf.