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Eine begutachtende Person soll generell eine Gesundheitsprognose erstellen. Ein Gutachten soll daher nicht nur Äußerungen zum aktuellen Gesundheitszustand enthalten, sondern sollte ggf. auch prüfen und darlegen, ob gesundheitliche Konsequenzen durch eventuelle weitere fachärztliche Behandlungen oder Rehabilitationsmaßnahmen vermieden werden könnten.
Dazu hat sie zu prüfen, ob eine Störung mit Krankheitswert vorliegt, die Grundlage für die Leistungseinschränkungen und Fehlzeiten ist, die zum Gutachtenauftrag geführt haben. Insbesondere hat sie funktionelle Auswirkungen vorliegender Krankheiten zu beschreiben, so dass andere eine Entscheidung über die Feststellung beispielsweise der Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit treffen können.
Begutachtenden Personen treffen also keine Entscheidungen, sondern erstellen eine sachverständige Tatsachenbasis für die Entscheidung anderer, bspw. des Dienstvorgesetzten, der Richterin. Das ärztliche Gutachten dient dabei einer entscheidenden Stelle als umfassende Entscheidungsgrundlage, z.B. für die Feststellung der Dienstunfähigkeit und die Versetzung in den Ruhestand.
Aufgaben der beauftragten begutachtenden Person
Eine gutachtliche Untersuchung sollte immer wie eine standardisierte ärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Dabei sollte die begutachtende Person Kompetenz ausstrahlen und die Untersuchung wertschätzend und rücksichtsvoll vornehmen. Dazu sind zwingend geeignete Räumlichkeiten und eine sachliche Atmosphäre notwendig.
Die zu begutachtende Person sollte erkennen, dass sich die begutachtende Person bereits mit dem Sachverhalt befasst hat.
Die ärztliche Untersuchung sollte immer mit der Frage beendet werden, ob alle Beschwerden und Funktionsausfälle berücksichtigt und ausreichend besprochen wurden.
Zur Erstellung einer Prognose wird erwartet, dass der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft und die Leitlinien der Fachgesellschaften genutzt werden, die evidenzbasiert sind und sich unter anderem auf Statistiken, z.B. Fünf-Jahre-Überlebensrate, beziehen. Dabei ist zu beachten dass sich diese nicht direkt auf die z.B. Dienstfähigkeit, sondern auf medizinische Faktoren beziehen.
Arbeitskreise begutachtender Personen haben zusätzlich in den einzelnen Bundesländern bereits für verschiedene Krankheitsbilder exemplarische Bewertungen erarbeitet, die man bei der Bewertung mit heranziehen kann. Insbesondere der Arbeitskreis Qualitätssicherung für das Amtsärztliche Gutachtenwesen Nordrhein-Westfalen hat hier einige relevante Veröffentlichungen erarbeitet. (HIER LINK EINFÜGEN)
Während der Prognosemaßstab seit den sechziger Jahren unverändert war,
“Die gesundheitliche Eignung fehlt bereits dann, wenn die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.“
wurde dieser Prognosemaßstab durch die BVerwG Urteile 2 C 12.11 und 2 C 18.12 vom 25. Juli 2013 maßgeblich geändert. Hier die dazu relevanten Auszüge:
Beamtenbewerber, deren Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, sind gesundheitlich als Beamte nicht geeignet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass eine vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist. Die gesundheitliche Eignungsprognose ist aufgrund einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu stellen. Dem Dienstherrn steht diesbezüglich kein Beurteilungsspielraum zu.
Das führte dazu, dass jetzt nicht mehr die sich bewerbende Person ihre gesundheitliche Eignung beweisen muss, sondern die/der Ärztin/Arzt verwaltungsrechtlich nachprüfbar beweisen muss, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer vorzeitigen Zurruhesetzung oder vermehrten Fehlzeiten zu rechnen ist. Das wird nur sehr selten der Fall sein, zumindestes bei den Laufbahnen mit normalen gesundheitlichen Anforderungen.
Die begutachtende Person muss in den Fällen, in denen sie an der gesundheitlichen Eignung zweifelt eine ausreichende Tatsachenbasis schaffen.
In vielen Fällen wird dies allerdings nicht zu einer Ablehnung führen.
Begutachtungsfragen
Aus den Rechtsgrundlagen, die dem Gutachten zugrunde liegen, ergeben sich Fragen, die von der begutachtenden Person gestellt werden. Im Folgenden werden beispielhaft Fragen genannt, die von begutachtenden Ärzte/innen regelmäßig gestellt werden und als Orientierung dienen können:
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Welche Maßnahmen wurden bisher zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit durchgeführt und mit welchem Erfolg??
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Welche krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen liegen vor? Wie ist die bisherige Entwicklung und wie das Ausmaß der Gesundheitsstörung zu beurteilen?
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Sind zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit weitere Behandlungsmaßnahmen oder rehabilitative berufliche Maßnahmen erfolgversprechend? Wenn ja, welche?
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Bestehen aus ärztlicher Sicht wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen Leistungseinschränkungen bei der Aufgabenwahrnehmung im derzeitigen Aufgabenbereich oder im übertragenen konkreten Amt oder im Statusamt? Wenn ja, welche konkreten Tätigkeiten können nicht mehr ausgeübt werden?
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Liegt die gesundheitliche Eignung für eine anderweitige Verwendung (§ 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG) vor? Wenn ja, für welche?
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Liegen eventuell die Voraussetzungen der begrenzten Dienstfähigkeit im Sinne des § 27 BeamtStG vor? Wenn ja, in welchem Umfang?
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Ist mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit zu rechnen? Wenn ja, in welchem Zeitraum?
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Wird für den Fall der Versetzung in den Ruhestand eine Nachuntersuchung für zweckmäßig gehalten? Wenn ja, in welchem Zeitabstand?
Anders als bei einer standardisierten Einstellungsuntersuchung orientiert sich der Untersuchungsumfang eines spezifischen Gutachtenauftrags von Beginn an der Fragestellung und dem Ausmaß der krankheitsbedingten dienstlichen Beeinträchtigungen. Im Folgenden sind Beispiele des Untersuchungsumfangs einer Untersuchungsstelle aufgeführt:
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Befragung zur medizinischen Vorgeschichte (inklusive psychischer Vorerkrankungen)
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Befragung zur lebensgeschichtlichen Entwicklung
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Befragung zu den aktuellen beruflichen/sozialen Verhältnissen
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Befragung zur aktuellen Befindlichkeit und Behandlung
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Erhebung des aktuellen psychischen Befundes
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Ganzkörperuntersuchung (orientierende oder grobe Untersuchung des gesamten Körpers beziehungsweise dessen Organsysteme)
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Ausswertung vorgelegter Vorbefunde
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Gegebenenfalls nach Absprache eine Blutuntersuchung, soweit erforderlich auch zur Bestimmung von Alkohol und weiteren Suchtmitteln
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Gegebenenfalls Anordnung einer fachärztlichen Zusatzuntersuchung (nach Abstimmung und erneuter Weisung durch Dienstvorgesetzten)