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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. Beihilfe
    1. „Kurgutachten“
    2. Rechnungsprüfungen
    3. Neue Behandlungsmethoden

Beihilfe

Die sogenannte “Beihilfe” ist Teil des Alimentationsprinzips von Beamtinnen und Beamten. Sie soll neben einer Eigenbeteiligung, die meist über eine Private Krankenversicherung abgesichert wird, bei möglichen gesundheitlichen Problemen finanzielle Belastungen absichern. Im typischen Verfahren haben beihilfeberechtigte Beamtinnen und Beamte zunächst die Kosten einer ambulanten oder stationären medizinischen Behandlung selbst zu begleichen und reicht die Rechnungen anschließend zur anteiligen Erstattung bei der Beihilfestelle ein. Diese kann bei Unklarheiten eine fachliche Stellungnahme einholen, meist beim örtlich zuständigen Gesundheitsamt.

KASTEN

Alimentationsprinzip: Der Dienstherr verpflichtet sich gegenüber den Beamt/innen und deren Familien diese lebenslang angemessen zu alimentieren und nach Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Unterhalt zu gewähren.

Eine häufige Fragestellung ist, ob eine bestimmte Gebührenziffer, ein angesetzter Steigerungsfaktor oder eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahme “beihilfefähig” sei, und versucht so zum Teil in unzulässiger Form eine Vorwegentscheidung zu erzwingen. Tatsächlich gibt es keine anwendbare Definition der Beihilfefähigkeit.

Es finden sich in den diversen Beihilfevorschriften der Bundesländer teilweise leicht variierend wiederum unbestimmte Kriterien wie “Angemessenheit” und “Wirtschaftlichkeit” der entstandenen, bzw. geltend gemachten Aufwendungen. Auch diese unbestimmten Begriffe bieten der begutachtenden Person keinen verlässlichen Orientierungsmaßstab.

Vor diesem Hintergrund sollte sich die Vorgehensweise der Begutachtung strikt nach der Fragestellung richten. Dies kann jedoch durchaus die tatsächlichen Beurteilungsmöglichkeiten einer/s amtsärztlichen Gutachters/in überfordern.

„Kurgutachten“

Fragestellungen bei den sogenannten “Kurgutachten” entsprechen inhaltlich häufig etwa der Überprüfung des Rehabilitationsbedarfs in den sozialmedizinischen Verfahren der Renten- bzw. Krankenversicherung. Dabei ist in der Regel zu prüfen, ob die aktuelle gesundheitliche Situation des Patienten eine zeitnahe ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme angezeigt erscheinen lässt.

Neben einer zielgerichteten Anamnese und ggf. ergänzenden (symptombezogenen) klinischen Untersuchung gilt es insbesondere zu hinterfragen, ob - einer abgestuften Indikation entsprechend - bisherige therapeutische Maßnahmen vor Ort ausgeschöpft wurden, bzw. sich als unzureichend erwiesen haben. Da ein übliches primär vorgelegtes Attest meist nur gering aussagefähig ist, kann sich die Anforderung eines erweiterten Attests für Rehabilitationsmaßnahmen mit detaillierteren Angaben empfehlen.

In der Regel gilt es zugleich abzuwägen ob eine ambulante Kurmaßnahme hinreichend oder eine stationäre Rehabilitation erforderlich ist.

Dabei ist eine stationäre Maßnahme dann indiziert, wenn ergänzende diagnostische Maßnahmen, pflegerischer Bedarf oder sonstige Erfordernisse eine Unterbringung in einer krankenhausähnlichen Umgebung erfordern. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn jederzeit eine ärztliche und pflegerische Betreuung zur Verfügung stehen sollte, bzw. der Patient anders als “in einem Haus” mit entsprechend kurzen geschützten Wegen und spezieller, z.B. diätetischer Versorgung die gebotenen therapeutischen Maßnahmen nicht in Anspruch nehmen könnte.

Ein weiterer Aspekt kann sein, dass im Rahmen einer intensivierten Rehabilitation eine abschließende detaillierte Beurteilung des Rehabilitationserfolgs und der weiteren beruflichen Perspektive aus entsprechend aussagefähigem Bericht über Rehabilitationsmaßnahmen eingefordert werden kann. Dieses ist beispielsweise dann der Fall, wenn in Analogie zum Prinzip “Reha vor Rente” die Frage einer Dienstunfähigkeit erörtert werden muss. Anders als bei Tarifbeschäftigten spielt zwar - unter isolierter Betrachtung des lebenslangen Alimentationsprinzips - das Ziel der Erhaltung der Dienstfähigkeit bei noch aktiven Antragstellern formal keine Rolle, kann aber im Einzelfall in den amtsärztlichen Abwägungsprozess eines Dienstunfall-Verfahrens einbezogen werden.

Ein Sonderproblem stellen die ggfs. unterschiedlichen Regelungen zu Mindestabständen von Rehabilitationsmaßnahmen dar, von denen nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. In der Regel gilt dies für möglicherweise neu aufgetretene, daher gesondert rehabilitationsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigungen oder aber für gravierende Verschlechterungstendenzen einer chronischen Erkrankung, bei der ohne zeitnahe und damit intensivierte Wiederholungsmaßnahmen wesentliche nachteilige Folgen zu erwarten wären.

Ein Konfliktfeld liegt darin, dass auch bei Fehlen der vorgenannten Ausnahmekriterien vielen chronisch Kranken eine regelmäßige Wiederholung von geeigneten Anwendungen etc. im Rahmen einer Rehabilitation durchaus Linderung ihrer Beschwerden bringen kann. Insoweit fehlt vielfach das Verständnis für die Verweigerung durch den begutachtenden Amtsarzt. In diesem Zusammenhang kann darauf verwiesen werden, dass diese Regelung allein auf finanziellen Vorgaben des Beihilferechts beruht, aber medizinisch nicht begründet ist.

Rechnungsprüfungen

Prinzipiell ist es notwendig Rechnungen auf ihre Korrektheit zu prüfen. Die Überprüfung von Arztrechnungen bewegt sich dabei auf einer distanziert-abstrakten Ebene. Zur kritischen Bewertung gestellt werden dabei beispielsweise

  • die Begründung einzelner Gebührenziffern, bzw. deren zulässige Kombination oder Analogansatz

  • die Begründung eines angesetzten erhöhten Steigerungssatzes

  • selten auch in einer Analogieprüfung einer ausländischen Liquidation.

Vielfach fehlen allerdings an den Gesundheitsämtern die notwendigen Detailkenntnisse des ärztlichen Gebührenrechts, insbesondere im Hinblick auf die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Diskrepanzen zwischen vormaligen Gebührenpositionen und tatsächlichen diagnostischen und therapeutischen Prozeduren.

In schwierigen Fällen kann es daher sinnvoll sein, zur Klärung von weniger konkret medizinischen, als vielmehr gebührenrechtlichen Fragestellungen an die einschlägig kompetenten Stellen der jeweiligen Ärztekammern zu verweisen.

Neue Behandlungsmethoden

Eine besondere Problematik amtsärztlicher Gutachten liegt zunehmend in der Beurteilung der Zulässigkeit bzw. der sachgerechten Abrechnung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.

Hierbei handelt es sich in der Regel um sog. „wissenschaftlich (noch) nicht anerkannten Verfahren …“. Nach ggf. variierenden landesrechtlichen Regelungen können neue Verfahren als beihilfefähig anerkannt, werden, wenn sie zumindest auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen, bei dem betroffene Patienten quasi alternativlos sind

  • d.h. andere, wissenschaftlich anerkannte Maßnahmen erfolglos ausgeschöpft sind.

Daraus ergeben sich folgende typische Fragestellungen für amtsärztliche Gutachten:

  • Um was für eine Maßnahme/Methode aus welchem Fachbereich geht es?

  • Inwieweit unterscheidet sich die neue Maßnahme/Methode vergleichend von bekannten, etablierten Maßnahme/Methode?

  • Gibt es einen einigermaßen nachvollziehbaren wissenschaftlichen Hintergrund (Evidenzbasierung) für eine – möglicherweise erhöhte – Zweckdienlichkeit gerade dieser Maßnahme?

Diese eher methodenbezogenen Teilfragen erfordern im Grunde eine maßgebliche Expertise mit einigermaßen tagesaktueller fachwissenschaftlicher Verwurzelung, die zur Klärung der assoziierten Frage notwendig ist:

  • Was für eine Art von Erkrankung liegt bei der erkrankten Person vor?

  • Welche Maßnahmen sind bei bei der erkrankten Person auf dieser Basis allgemein üblich, bzw. medizinisch indiziert, eventuell auch schon erfolgt, bzw. wären alternativ möglich?

  • Sind anderweitige Alternativen erfolglos ausgeschöpft, sodass - zumindest bei schwersten bedrohlichen Erkrankungen - ein Rückgriff auf nicht etablierte Methoden als Notbehelf zu erwägen wäre? (s. Nikolaus-Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 06.12.2005, Az.: 1 BvR 347/98)

Diese unmittelbar patientenbezogenen, individuellen Aspekte erfordern (eigentlich) ebenfalls eine ausgeprägte fachärztliche klinische Expertise, insoweit mit zeitnah aktuellem Erfahrungsprofil aus der klinisch Praxis.

Hier stellt sich die Frage, ob ein amtsärztlicher Gutachtendienst überhaupt die notwendige Fachkompetenz hat, bzw. vorhalten kann, derart spezielle Fragen im Streitfall auch gerichtsfest beantworten zu können.

Alternativ kommt im Sinne der Vorprüfung eine Orientierung am Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht. Bei dort weitgehend sinnidentischem Maßstab (Wirtschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 / § 12 SGB V: „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich, nicht über das Maß des Notwendigen“) lässt der zuständige Gemeinsame Bundesausschuß (..) diagnostische und therapeutische Methoden wissenschaftlich überprüfen und bewerten - allerdings durch hochkarätige Expertengremien und Studien.

Insoweit kann ein dortiges positives Votum, ebenso wie ein negatives, zugleich als beihilferechtlich analog herangezogen werden.

Eine weitere mögliche Orientierung, bzw. Verweisung kann an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet werden, der bei auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen ähnlichen Problemstellungen immerhin über zentrale Expertise und Austauschmodalitäten verfügt.

Im Einzelfall bleibt abzuwägen, sich mit den verfügbaren Zeit- und Personalressourcen des Gutachtendienstes aufwändig in eine klinische Spezialthematik einzuarbeiten und auch fachliche Auseinandersetzungen mit dem kurativmedizinischen Bereich nicht zu scheuen.

Oder aber: den Begutachtungsauftrag im Sinne der sogenannten Übernahmeverantwortung als fachlich nicht hinreichend verfahrenssicher zurückzugeben.