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6. Vernetzung in der Gesundheitsberichterstattung

► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. 6. Vernetzung in der Gesundheitsberichterstattung
    1. 6.1. Vernetzung der verschiedenen Ebenen von Gesundheitsberichterstattung
    2. 6.2. GBE als Teil eines Netzwerkes
      1. 6.2.1. Themenbezogene Projektgruppe
      2. 6.2.2. Politik und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger
    3. 6.3. Kompetenzentwicklung innerhalb des Netzwerkes (Capacity Building)
    4. 6.4. Weiterführende Informationen
    5. 6.5. Literaturverzeichnis Kapitel 6. – Vernetzung in der GBE


„Ich habe schon den dritten Bericht geschrieben in diesem Jahr, kann schon ein bisschen stolz sein. Aber wenn ich mich so bei uns umschaue, weiß echt keiner, dass das so ist. Ignoranten und Ignorantinnen, tolles Material und steht alles im Internet!“

6.1. Vernetzung der verschiedenen Ebenen von Gesundheitsberichterstattung

Gesundheitsberichterstattung auf kommunaler, Länder- und Bundesebene hat unterschiedliche Schwerpunkte, jedoch steht bei allen die Information zur Verbesserung der Gesundheit im Vordergrund. Daher ist es wichtig, dass die unterschiedlichen Ebenen sowohl horizontal (innerhalb der Kommune und zwischen Kommunen) als auch vertikal (etwa die Zusammenarbeit von Länder- und Bundes-GBE) zusammenarbeiten. Zu dieser Zusammenarbeit gehören vor allem die Harmonisierung der Datenquellen und Indikatoren sowie die gemeinsame Definition von Verfahren. Daneben ist eine gemeinsame thematische Schwerpunktsetzung oder die Zusammenarbeit bei der Berichterstellung denkbar. Innerhalb der GBE-Informationspyramide liegt hierbei ein besonderes Augenmerk auf dem Prozess der Wissensgenerierung, wie in Abbildung 12 dargestellt.

Abbildung 12: Prozess der Wissensgenerierung in der GBE anhand der Informationspyramide
Abbildung 12: Prozess der Wissensgenerierung in der GBE anhand der Informationspyramide (erweiterte Darstellung nach Verschuuren und van Oers 2019 (Verschuuren, van Oers 2019)) © Marion Burbulla

6.2. GBE als Teil eines Netzwerkes

Gesundheitsberichterstatterinnen und Gesundheitsberichterstatter bedürfen einer Reihe methodisch-fachlicher Kompetenzen (siehe Kapitel 4, gleichzeitig agieren sie nicht in einem Vakuum. Berichterstattung ist bestenfalls ein interdisziplinärer, multiprofessioneller Prozess (siehe Kapitel 5). Eine wesentliche Qualifikation der Berichterstatter und Berichterstatterinnen neben methodisch-fachlichen Kompetenzen ist die Kommunikations- und Netzwerkkompetenz. Ihre Aufgabe ist verbunden mit anderen Bereichen der Verwaltung sowie Akteurinnen und Akteuren aus den unterschiedlichsten Feldern von der Arbeitsagentur bis zur Zahnprophylaxe.

Gesundheitsberichterstattung steht nicht für sich allein, sondern ist eingebettet in einen kontinuierlichen Prozess aus Problemdefinition, strategischer Planung, Umsetzung und Bewertung, wie einleitend bereits anhand des Public Health Action Cycles in Kapitel 2 erläutert. Weiter speist sich die Gesundheitsberichterstattung aus verschiedenen Themen, konkret nicht nur rein medizinischen, sondern auch aus solchen mit Bezug zu den Lebensverhältnissen (zum Beispiel Einkommen, Kultur, Bildung), zur Umwelt (etwa Lärm, Schadstoffe, Hitze) oder zum Wohnen (beispielsweise Grünflächen, Infrastruktur). Während Berichterstatterinnen und Berichterstatter ihre methodisch-fachlichen Kompetenzen bei der Berichterstellung einbringen, bedarf es ihrer kommunikativen Kompetenz, um Partner und Partnerinnen für diesen Prozess zu gewinnen, und Mut, um sich gewinnen zu lassen. Idealerweise gibt es in der Kommune bereits eine Vernetzungsstruktur, auf die sie zurückgreifen können, zum Beispiel die Integrierte Gesundheits- und Sozialberichterstattung (Berlin), das Sozialmonitoring (Stuttgart) oder die Kommunalen Gesundheitskonferenzen (KGK), die in verschiedenen Bundesländern gesetzlich verankert und etabliert sind. Eine Übersicht zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen der GBE findet sich in Kapitel 1.

Mögliche Partnerinnen und Partner innerhalb der Verwaltung sind unter anderem:

  • je nach Thema Kollegen und Kolleginnen aus dem eigenen Gesundheitsamt (zum Beispiel Psychiatrie- und Suchtkoordination, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Gesundheitsförderung, Gesundheitsplanung, Infektionsschutz, Umweltmedizin)

  • Statistikamt

  • Sozialamt

  • Jugendamt

  • Umweltamt

  • Katasteramt

  • Ämter für Stadtplanung und -entwicklung

  • Schulverwaltungsamt/Amt für Bildung

  • Amt für Sport/Bewegung, Stadtsportbund

  • Beauftragte der Kommune für Kinder

  • Beauftragte der Kommune für die Belange von Menschen mit Behinderung

  • Beauftragter/Beauftragte für Seniorinnen und Senioren/Beirat der Seniorinnen und Senioren

  • Beauftragte der Kommune für Integration

  • Gleichstellungsbeauftragte

  • Pressestelle

Mögliche Partner und Partnerinnen außerhalb der Verwaltung sind unter anderem:

  • ambulante und stationäre Versorgung

  • Rettungsdienste

  • ambulante und stationäre Pflege

  • niedergelassene Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen

  • Organe der Selbstverwaltung (Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, (Zahn-)Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer)

  • gesetzliche und private Krankenkassen

  • Flüchtlingsrat

  • Medien

  • Jobcenter/Agentur für Arbeit

  • bereits vorhandene Arbeitsgruppen und Arbeitskreise, zum Beispiel Suchtprävention, Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG)

6.2.1. Themenbezogene Projektgruppe

Für die Erstellung eines thematisch eingegrenzten Berichts bietet es sich gegebenenfalls an, eine temporäre Projektgruppe zum Berichtsthema zu gründen. Potenzielle Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Projektgruppe sind alle Personen in der Kommune, die etwas zum Thema beitragen können und die möglicherweise bei der Umsetzung von Maßnahmen, die aus dem Bericht folgen könnten, involviert werden sollten oder betroffen sind. Dies könnten zum Beispiel Träger von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Altenhilfe sein.

Erfahrungsgemäß gibt es häufiger Vorbehalte von einzelnen Institutionen, Ressorts, Ämtern oder Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter gegenüber einem geplanten Gesundheitsbericht. Sie fürchten zum Beispiel, in einem Bericht nicht gut dazustehen, oder haben Sorge, sich den Handlungsempfehlungen nicht gewachsen zu fühlen mangels Ressourcen und/oder politischen Rückhalts der Verwaltung und Kommunalpolitik etc. Hier ist es sinnvoll, insbesondere diese Gruppen von Anfang an einzubeziehen und das Vorgehen (Datenerhebung, Auswertung, Interpretation) transparent zu machen. Gleichzeitig müssen Berichterstatter und Berichterstatterinnen kommunikatives Geschick haben, um sich aktiv in Prozesse einzubringen und von anderen als Partnerinnen und Partner mit starker Stimme für gesundheitsorientierte Themen wahrgenommen zu werden.

Insbesondere bei der Interpretation der Ergebnisse und der daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen kommt der Projektgruppe bzw. den betroffenen Institutionen eine wichtige Rolle zu. Dabei haben Gesundheitsberichterstatterinnen und Gesundheitsberichterstatter die Rolle, gemeinsam mit Partnern und Partnerinnen bzw. Akteuren und Akteurinnen wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, wobei sie die Umsetzbarkeit vor Ort im Blick haben müssen (siehe Kapitel 7). Hier bewegen sich Gesundheitsberichterstatterinnen und Gesundheitsberichterstatter im Spannungsfeld von Wissenschaft, Praxis und – nicht zuletzt – Politik.

Insbesondere bei der Integration verschiedener Berichtserstattungssysteme werden unterschiedliche Schnittstellen in Anspruch genommen, und neben dem fachlichen Austausch stehen die Klärung sowie Integration unterschiedlicher Erwartungen und Interessen an (siehe auch Kapitel 5). Aus Sicht der beteiligten Ressorts kann es zu unterschiedlichen Prioritäten kommen, ebenso wie die Gesundheitsberichterstattung als reine Dienstleisterin für andere Ressorts betrachtet werden kann, was ihrer Stellung innerhalb des Systems nicht gerecht wird. Bei der (technischen) Integration verschiedener Berichterstattungssysteme innerhalb einer Kommune kann es bezüglich der räumlichen Bezugsebene für die Gesundheitsdaten zu Schwierigkeiten kommen. Sozial- oder Einwohnerdaten können sehr kleinräumig dargestellt werden (Stadtteile, Quartiere, Baublocks). Für Gesundheitsdaten ist dies aus Gründen des Datenschutzes oft nicht möglich, weil die Fallzahlen zu gering sind. Deshalb müssen hier gemeinschaftlich Lösungen für eine einheitliche Darstellung gefunden werden. Ein besonderes Augenmerk muss hierbei dem Datenschutz zukommen.

6.2.2. Politik und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger

Egal, ob der Auftrag für einen Gesundheitsbericht „von oben“ erteilt wurde oder die Notwendigkeit für einen Bericht aus der GBE selbst kam: Wichtige Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sollten kontinuierlich informiert sowie gegebenenfalls überzeugt und eingebunden werden (siehe auch Kapitel 2 und Kapitel 3).

Dazu gehören unter anderem:

  • Amts- und Abteilungsleitung

  • Dezernent oder Dezernentin

  • Landrat oder Landrätin, (Ober-)Bürgermeister oder (Ober-)Bürgermeisterin

  • Gremien wie Kreistag, Stadtrat, Gemeinderat, Ortschaftsrat

Die Einbindung der politischen Leitungsebene ist ohnehin notwendig, weil ein Gesundheitsbericht in der Regel nicht vom GBE-Team veröffentlicht wird, sondern vom Landratsamt oder der Stadt. Die politische Leitung muss den Bericht also vertreten. Hinzu kommt, dass Partnerinnen und Partner für die Verbreitung eines Berichts gebraucht werden. Die Wahrnehmung der Berichterstattung hängt ganz entscheidend davon ab, wie gut der Weg vorher bereitet wurde. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass ein Bericht in der Schublade verschwindet oder sich niemand imstande sieht, sich der Themen anzunehmen bzw. Verantwortung zu übernehmen. Die zeitliche Komponente ist ebenfalls entscheidend: Sitzungstermine der Gremien, Haushaltsberatungen, (Kommunal-)Wahlen, Ausnahmesituationen (Corona, Migrationsdynamik etc.), Sommerpause oder Sommerloch sollten immer bedacht werden. Neben dem Interesse spielen dabei auch die Kompetenzen der Adressaten und Adressatinnen eine wesentliche Rolle.

6.3. Kompetenzentwicklung innerhalb des Netzwerkes (Capacity Building)

In Kapitel 4 ist die erforderliche methodisch-fachliche Qualifikation von Gesundheitsberichterstatterinnen und Gesundheitsberichterstattern bereits kurz skizziert worden. Dies ist die Grundlage für Berichterstatter und Berichterstatterinnen, die sie in die Lage versetzt, den Aspekt der Vernetzung zu verfolgen. Innerhalb des Netzwerkes ist die Kompetenzentwicklung ein fortlaufender Lernprozess aller Beteiligten. Capacity Building (Kompetenzentwicklung) beschreibt ein prozesshaftes Geschehen, bei dem das Voneinander-Lernen im Mittelpunkt steht. Hier hilft es den Berichterstatterinnen und Berichterstattern, einen langen Atem zu haben und Frustrationserlebnisse als Teil dieses Prozesses einzuordnen sowie nicht den Mut zu verlieren.

Die Kooperation und das vernetzte Arbeiten über verwaltungsinterne und externe Ressorts und Sektoren hinweg erfordert ein stetiges Bewusstsein eigener Positionen und Interessen und der Positionen und Interessen der anderen Partner und Partnerinnen (Quilling et al. 2013; Fisher et al. 2009).

Gesundheitsberichterstattung erfordert aufseiten der Berichterstatterinnen und Berichterstatter verschiedene Qualifikationen, was auch aus der in Kapitel 4 dargestellten Stellenausschreibung ersichtlich wird. Gleichzeitig sind für einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheitsberichten gewisse Kompetenzen nötig und erwünscht. Gesundheitsberichterstattung steht im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik, Medien und Öffentlichkeit, bestenfalls ist sie Mittlerin zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. Ergebnissen empirisch fundierter Analysen und politisch Handelnden bzw. Bürgern und Bürgerinnen (siehe auch Kapitel 2).

Erkenntnisse wissenschaftlicher Studien aus verschiedenen Fachbereichen, zum Beispiel der Epidemiologie, Medizinsoziologie, Gesundheitswissenschaften, Public Health, um nur einige zu nennen, können in zweierlei Hinsicht genutzt werden: Einerseits dienen sie als Ausgangspunkt für Fragestellungen der eigenen Gesundheitsberichterstattung, andererseits – wie oben bereits erwähnt – können sie zu Vergleichen herangezogen werden, etwa mit Blick auf sozial ungleiche Gesundheitschancen in der Bevölkerung. Gleichzeitig können im Rahmen der GBE eigene Erhebungen durchgeführt werden, die die Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens beherzigen sollten. Hierzu gibt die „Gute Praxis Gesundheitsberichterstattung 2.0“ Empfehlungen und zu prüfende Kriterien (Starke et al. 2019). Gerade dann, wenn eigene Untersuchungen durchgeführt werden, sind Kompetenzen sozialwissenschaftlicher und empirischer Forschungsmethoden notwendig (siehe auch Kapitel 4). Die Ergebnisse eigener Untersuchungen oder auch der Vergleich mit Erkenntnissen wissenschaftlicher Studien erfordert einen sensiblen Umgang mit erhobenen Daten und den jeweiligen Hinweis, dass die Ergebnisse der eigenen Erhebung möglicherweise populationsspezifisch sind und nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden können. Hinsichtlich der Vergleiche eigener Beobachtungen mit Studienergebnissen sind die Vergleichbarkeit der untersuchten Population, der Kontext und die Übertragbarkeit spezifischer Ergebnisse auf die örtliche Bevölkerung in der Kommune zu reflektieren.

GBE beschreibt die gesundheitliche Lage der Bevölkerung mittels unterschiedlicher Daten und Kennzahlen, verknüpft diese unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gesundheitsbezogenen Themen (Kontextualisierung), interpretiert und formuliert Handlungsempfehlungen, sinnvollerweise gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren sowie Expertinnen und Experten. Mit Ausnahme der Fachöffentlichkeit sowie Wissenschaftsjournalisten und Wissenschaftsjournalistinnen sind die Empfänger und Empfängerinnen der in Gesundheitsberichten dargestellten Inhalte mehrheitlich weder im Umgang mit Daten noch mit wissenschaftlichen Aussagen geschult. Daraus resultiert auf der einen Seite der Anspruch an die Gesundheitsberichterstattung, adressatinnen- und adressatengerecht zu formulieren und Sachverhalte darzustellen. Auf der anderen Seite ist eine Kompetenzentwicklung im Umgang mit Gesundheitsberichten erstrebenswert. Kompetenzentwicklung bei Adressaten und Adressatinnen von Gesundheitsberichten zielt auf unterschiedliche Bereiche ab. Hier sind zu nennen: Umgang mit Daten, Grafiken, gesundheitsbezogenen Themen und darauf basierenden Empfehlungen. Nun stellen Daten und Zahlen im Allgemeinen für viele Menschen eine Herausforderung dar (Kuhn, Wildner 2019). Sich diesen anzunähern und ein Verständnis dafür zu entwickeln – ohne die Tiefen der Statistik zu durchdringen –, erfordert Offenheit und Respekt für das Dargestellte. Es bedarf einer unvoreingenommenen Haltung, die durch die oben beschriebene Einbindung in den Prozess der Berichterstattung erleichtert werden kann. In der Berichterstattung fehlt es oft an Möglichkeiten, Ursache-Wirkungs-Mechanismen durch Daten zu belegen. Sie bewegt sich häufig auf der Ebene, unterschiedliche Beobachtungen miteinander in Verbindung zu bringen (Assoziationen), ohne über Daten zu verfügen, die miteinander verbunden sind (Beispiel: Verknüpfung prozentualen Anteils Adipositas mit prozentualem Anteil nicht-autochthoner Menschen). Um solchen ökologischen Fehlschlüssen vorzubeugen, ist nicht nur Obacht bei der Berichterstattung vonnöten, sondern eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit dem Bericht selbst aufseiten der Adressatinnen und Adressaten (siehe auch Kapitel 4).

Grafiken – und insbesondere kartografische Darstellungen – sind beliebte Elemente in der GBE, um Sachverhalte veranschaulichen zu können (Augustin et al. 2017). Gleichermaßen bergen sie unzählige Möglichkeiten zur Manipulation. Dass dieses nicht opportun und wider den Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens ist, wird von der Boulevardpresse oftmals (bewusst) ignoriert. Berichterstatter und Berichterstatterinnen sollten deshalb kompetent sein, Grafiken zu erstellen. Gleichwohl können sie nicht intendierten Fehlinterpretationen den Weg ebnen, wenn mit der Absicht, Darstellungen zu vereinfachen, ein Format gewählt wird, dass etwa Unterschiede überbetont (Beispiel: Die x-Achse schneidet y-Achse nicht bei null.). Adressatinnen und Adressaten der GBE bedürfen der Kompetenz, Grafiken zu lesen und zu interpretieren. Hier kann es von Nutzen sein, unterschiedliche Darstellungen ein und desselben Sachverhalts exemplarisch und außerhalb des Berichts zu präsentieren, um ein Verständnis für die Vielfalt der Darstellungsoptionen zu entwickeln.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit gesundheitsbezogenen Themen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse stellt für Berichterstatterinnen und Berichterstatter sowie für Rezipienten und Rezipientinnen eine Herausforderung dar. Die günstigste Konstellation (abgesehen von Sachverständnis auf beiden Seiten) ist diejenige, bei der Berichterstatter und Berichterstatterinnen ein Thema so durchdringen, dass sie komplexe Inhalte einfach beschreiben können, ohne banal zu wirken. Die Fähigkeit, sich unvoreingenommen auf unbekannte Sachverhalte einzulassen, bedarf bei den Adressatinnen und Adressaten des Berichts einer großen Portion Neugier. Medizinische, gesellschaftliche und psychologische Einflussfaktoren auf Gesundheit (siehe auch Kapitel 2) sind oftmals in der Bevölkerung wenig bekannt, sodass die Auseinandersetzung damit schnell zu einer individuellen Zuschreibung der Verantwortung führt, statt strukturell bedingte Vulnerabilität in den Blick zu nehmen.

Wie oben bereits angesprochen, stehen die aus den Ergebnissen des Berichts abgeleiteten Handlungsempfehlungen unter besonderer Beobachtung. Selbst wenn die Formulierung wissenschaftlich fundierter Handlungsempfehlungen durch die Berichterstatter und Berichterstatterinnen gemeinsam mit Expertinnen und Experten erfolgt, besteht die Gefahr, dass Adressaten und Adressatinnen sich diesen nicht gewachsen fühlen, sie nicht als ihr originäres Handlungsfeld ansehen oder sie schlicht ablehnen. Handlungsempfehlungen müssen auf Resonanz treffen, um eine Chance auf Umsetzung zu haben. Ähnlich wie ein Cello einen wunderbaren Resonanzkörper hat, der aber ohne sachkundige Cellospielerin oder sachkundigen Cellospieler nie klingen wird, werden Berichte wenig Wirkung entfalten, wenn Handlungsempfehlungen nicht auf Resonanzfähigkeit seitens der Akteure und Akteurinnen treffen.

6.4. Weiterführende Informationen

Capacity Building in der GBE

  • Bachinger, E; Grasser, G (2009): Capacity Building für Gesundheitsberichterstattung. In: Kuhn, J; Böcken, J (Hg.): Verwaltete Gesundheit. Konzepte der Gesundheitsberichterstattung in der Diskussion. Frankfurt am Main: Mabuse-Verl. (Beiträge zur politischen Relevanz der Gesundheitsberichterstattung), S. 201–222.

  • Kuhn, J; Zapf, A (2018): Berufliche Aufgaben und Perspektiven im ÖGD. In: Public Health Forum 26 (1), S. 20–22. DOI: 10.1515/pubhef-2017-0083.

Beteiligung und Partizipation

  • LGA-BW (2014): Handlungsempfehlung zur Bürgerbeteiligung bei Gesundheitsthemen aus den Pilotgesundheitsdialogen im Rahmen des Zukunftsplans Gesundheit.

6.5. Literaturverzeichnis Kapitel 6. – Vernetzung in der GBE

  • Augustin, J; Kistemann, T; Koller, D; Lentz, S; Maier, W A; Moser, J; Schweikart, J (Hg.) (2017): Gute kartographische Praxis im Gesundheitswesen (GKPiG). Deutsche Gesellschaft für Geographie; Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie; Leibniz-Institut für Länderkunde. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (Forum IfL, Heft 32). Online verfügbar unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-52071-9, zuletzt geprüft am 15.08.2023.

  • Fisher, R; Ury, W; Patton, B (2009): Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik. 23., durchgesehene Aufl. Frankfurt am Main, New York: Campus-Verl.

  • Kuhn, J; Wildner, M (2019): Gesundheitsdaten verstehen. Statistiken lesen lernen – ein Einsteigerbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern: Hogrefe.

  • Quilling, E; Nicolini, H J; Graf, C; Starke, D (2013): Praxiswissen Netzwerkarbeit. Gemeinnützige Netzwerke erfolgreich gestalten. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden (SpringerLink).

  • Starke, D; Tempel, G; Butler, J; Starker, A; Zühlke, C; Borrmann, B (2019): Gute Praxis Gesundheitsberichterstattung – Leitlinien und Empfehlungen 2.0. In: Journal of Health Monitoring 4 (S1), S. 1–22.

  • Verschuuren, M; van Oers, H (Hg.) (2019): Population Health Monitoring. Cham: Springer International Publishing.