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Über uns

Da die meisten Lehrbücher mit einer kurzen Vorstellung der Autorinnen und Autoren beginnen bzw. enden, soll ein solcher Exkurs auch in unserem Lehrbuch nicht fehlen. Da wir uns im letzten Kapitel vor allem mit der Frage der zukünftigen Ausrichtung der GBE beschäftigt haben, möchten wir diesen Faden gern weiterverfolgen und neben den „klassischen“ Affiliationen auch noch unsere ganz eigenen „Hirngespinste“ zur GBE ergänzen. Es handelt sich dabei um Wünsche, Ideen und Anregungen zur Weiterentwicklung der GBE in Deutschland, die uns im Kopf herumspuken. Alle Visionen stellen dabei die eigenen GBE-Visionen der Autorinnen und Autoren dar und auf Twitter hätten wir vermutlich ergänzt: „All views are our own.“

 

Laura Arnold (M. Sc., MA), Referentin Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen:

Gesundheitsberichterstattung stellt für mich eine wesentliche Voraussetzung für evidenzinformiertes Handeln dar. Dabei ist die GBE weder Allheilmittel noch Mittel zum Zweck. Es geht nicht nur um einen einfachen Wissenstransfer, sondern auch um ein aktives Einbringen in und Mitausgestalten von Entscheidungsfindungsprozessen. Damit dies gelingt braucht es neben Zeit, Geld und Muße, Know-how und eine gehörige Portion Mut auf Seiten der GBE. Die Aufbereitung und Darstellung komplexer Sachverhalte kann nur auf einer soliden, transparenten und gut aufbereiteten Datenbasis funktionieren. Damit dies gelingt braucht die GBE aber v.a. auch das entsprechende Mandat und muss wissen welche Rolle Sie in der Politikberatung einnehmen kann und möchte. Ich wünsche mir eine GBE die sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzt und damit Wege findet kritische Diskurse anzuregen.

 

Dr. Thomas Claßen (Dipl.-Geogr.), Fachgruppe Grundsatzfragen, Internationale Zusammenarbeit/Fachgruppe Prävention und Gesundheitsförderung, Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW):

Für mich als geographischen Gesundheitsforscher liegt der enorme Vorteil der GBE, erst recht, wenn sie integriert angelegt ist, in der Aufbereitung gesundheitsbezogener Informationen dergestalt, dass sie räumlich dargestellt und vor allem analysiert werden können. Hierzu ist es jedoch dringend erforderlich, die Informationen aus der GBE mit weiteren Informationsquellen wie dem Umwelt- oder Sozialmonitoring räumlich zu verschneiden, aber auch stets im Kontext aktueller gesellschaftlicher und administrativ-politischer Entwicklungen zu betrachten. Denn ihr eigentliches Potenzial kann die GBE erst entfalten, wenn sie – methodisch breit aufgestellt – als DAS planungsvorbereitende Instrument auf dem Weg zu einer gesundheitsorientierten Planung für mehr gesundheitliche Chancengerechtigkeit in der Kommune, im Land und im Bund verstanden wird. Die Herausforderung wird darin liegen, zukünftig weiterhin hierfür Brücken zu bauen und flexibel genug für neue Themen, zum Beispiel Klima und Gesundheit, zu bleiben.

 

Annette Galante-Gottschalk (MPH und Dipl.-Soz.päd.), Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung, Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart:

Die Gesundheitsberichterstattung hat in den Jahren der COVID-19-Pandemie einen ordentlichen Schub bekommen. Die GBE ist in der Kommune sichtbarer geworden, ihre Bedeutung wurde viel mehr Bürgerinnen und Bürgern aber auch kommunalpolitischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern bewusst und es haben sich für die GBE zahlreiche neue Kooperations- und Netzwerkpartner und -partnerinnen aufgetan.

Ich wünsche mir, dass die zentrale Bedeutung der Berichterstattung und die neu geknüpften Netzwerke auch für zukünftige Herausforderungen erhalten bleiben. Dass kommunalen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern bewusst bleibt, welches Potenzial in der sorgfältigen Analyse und Interpretation von Gesundheitsdaten liegt. Dass Daten und Analysen weiterhin aktiv nachgefragt und konkret genutzt werden.

Darüber hinaus wünsche ich mir eine echte Gesundheitsberichterstattung. Viel zu oft ist die GBE eigentlich eine KGB, eine Krankheitsberichterstattung. Ich wünsche mir, dass in der Berichterstattung die Ressourcen, die Menschen gesund halten, nicht aus dem Blick geraten. Wir wollen dazu beitragen, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Dazu braucht es neben dem Benennen der Schwachstellen vor allem auch einen Fokus auf gesundheitliche Stärken, auf das, was Menschen gesund erhält und gesund macht, auf Ressourcen und Bedingungen für Resilienz. Hier wünsche ich mir eine Ergänzung der diversen Indikatorensätze, sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene. Dazu ist eine enge Verzahnung der drei Disziplinen Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsförderung und Gesundheitsplanung notwendig, die in meiner Vision auf allen Ebenen zusammenarbeiten und sich gegenseitig bereichern.

 

Dr. Joseph Kuhn, Gesundheitsberichterstattung, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit:

Seit mehr als 200 Jahren gibt es nun Gesundheitsberichte. Ihre Form und ihre Zielsetzung haben sich in dieser Zeit immer wieder geändert. Heute sollten Gesundheitsberichte einen Beitrag zu einer demokratischen, sozialen und bürgerorientierten Gesundheitspolitik leisten. Dabei würde es nicht schaden, wenn sie mehr Relevanz für gesundheitspolitische Entscheidungen einerseits und für die gesundheitspolitische Kommunikation andererseits gewinnen würden. Das gilt ganz besonders in Zeiten, in denen Fake News und Verschwörungstheorien so große Konjunktur haben. Umso wichtiger wird die Versorgung mit Rationalität der guten alten Art, gestützt auf Daten, die verlässlich und nachvollziehbar sind und mit Vernunft interpretiert werden. Dass die Gesundheitsberichterstattung diesem Weg folgt, so gut es geht, dazu auch unterscheidbar bleibt zu politischen Presseverlautbarungen, das wäre meine GBE-Vision für die nächsten Jahre.

 

Dr. Nicole Rosenkötter (M. Sc.), Referentin Gesundheitsberichterstattung, Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen:

Dass die GBE mehr ist als das Runterbeten oder Abschreiben von Zahlen, die gegebenenfalls auch bei den Statistikämtern zu finden sind, konnten wir in diesem Buch sehr gut verdeutlichen. Ich wünsche mir, dass diese Erkenntnis in den Stellenplänen und bei der Bereitstellung von Mitteln für GBE-Ressourcen berücksichtigt, aber auch in der Ausbildung gelehrt wird. Die GBE ist ein abwechslungsreiches, breit aufgestelltes, multidisziplinäres, interaktives und kreatives Aufgabenfeld, das viele Möglichkeiten zur beruflichen Professionalisierung und Entwicklung bietet. In meiner Vorstellung entwickelt sich die GBE zu einer anpassungsfähigen und modernen GBE, bei der Sätze wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ der Vergangenheit angehören – anpassungsfähig und modern bezüglich der Datengrundlagen, der inhaltlichen Aufbereitung, des Methodenspektrums, der Aufbereitung und Verbreitung der Berichte. Dazu gehört auch die Öffnung der GBE: dass sie sich nicht nur als eigenständige Disziplin begreift, sondern auch als Dienstleister für andere Berichterstattungssysteme und bestenfalls als Teil einer integrierten Berichterstattung agiert. Ganz im Sinne des Health-in-All-Policies-Ansatzes bietet diese Öffnung die Chance, dass neben dem klassischen Themenspektrum auch die Lebensverhältnisse und das Lebensumfeld der Menschen sowie die politischen und kommerziellen Determinanten in den Fokus rücken und in die Planung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen einbezogen werden.

 

Prof.in Dr. phil. Dagmar Starke, komm. Leiterin der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen:

Für die Gesundheitsberichterstattung der näheren und ferneren Zukunft wünsche ich mir aufgeschlossene Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die gut aufbereitete, verlässliche Daten als Handlungsgrundlage (mit-)berücksichtigen. Ich stelle mir eine Berichterstattung vor, die integriert erfolgt gemäß des Health-in-All Policies-Ansatzes und die nicht davor zurückschreckt, Empfehlungen auszusprechen, die verschiedene politische Handlungsebenen betreffen. Dafür braucht es gut qualifizierte und gut fortgebildete GBElerinnen und GBEler – und an dieser Stelle hoffe ich auf Leitungen mit dem Mut und der Entschlossenheit, Stellen entsprechend zu besetzen – eine Stellenausschreibung haben wir dafür schon entworfen. Schließlich ist es mein Ziel, die Weiterentwicklung der Gesundheitsberichterstattung und der Berichterstattung insgesamt so zu begleiten, dass Kolleginnen und Kollegen in die Lage versetzt werden, gute Berichte zu erstellen und damit einen Beitrag zu einer gerechteren Politikgestaltung zu leisten.

 

Dr. Bertram Szagun (MPH), Professor für Gesundheit an der Hochschule Ravensburg-Weingarten:

Mein Wunschzettel umfasst: 1. Dass ein Teil der im Pakt für den ÖGD geplanten Verstärkung des kommunalen ÖGD in den Zeiten zwischen den Pandemien den Zukunftsaufgaben wie der GBE einen flächendeckenden Anschub gibt; 2. Dass sich nach Corona ein Teil des gesellschaftlichen Interesses für öffentliche Gesundheit und die Datenbasis unserer Entscheidungen für die Gesundheit verstetigen wird; 3. Dass der pandemiebedingte (unter anderem medienseitige) Schub in Sachen technisch und kommunikativ innovativer Datenkommunikation der GBE zukünftig Flügel verleihen wird; 4. Dass die kommunale GBE irgendwann ein ebensolcher Standard wird, wie es der kommunale Infektionsschutz heute schon ist.

 

Dr. Günter Tempel, Leiter Kommunale Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsamt Bremen:

Mein Ziel ist eine kommunale Gesundheitsberichterstattung, die nicht nur die Informationsbedürfnisse von Politik und Verwaltung bedient, sondern die darüber hinaus Bürgerinnen und Bürger darin unterstützt, an gesellschaftlichen Debatten und politischer Entscheidungsfindung vor Ort mitzuwirken. Im Prinzip geht es um Empowerment, das es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, sich aktiv und informiert am Prozess der politischen Willensbildung zu beteiligen. Idealerweise trägt Gesundheitsberichterstattung mit dazu bei, über gesellschaftliche Verhältnisse aufzuklären. Dabei wahrt Gesundheitsberichterstattung, in Anlehnung an Hajo Friedrichs Diktum zum journalistischen Ethos, Distanz und lässt sich vor keinen Karren spannen, so sympathisch politische Ziele auch erscheinen mögen.

 

Dr. Birgit Wollenberg, Fachbereichsleitung Gesundheitsamt, Landkreis Marburg-Biedenkopf:

Ich wünsche mir eine Person mit Vollzeitstelle und Expertise in der GBE an jedem Gesundheitsamt (zum Beispiel mit Mitteln aus dem Pakt für ÖGD), um die kommunale GBE gewinnbringend für unsere Strategie Health in All Policies mit all ihren Aufgaben von der Planung bei Gesundheitsförderung und Versorgungskoordination bis zur Erfolgskontrolle nutzen zu können. Ideal wäre es auch, wenn die Landes-GBE mit der kommunalen GBE abgestimmt wäre. Abstimmung heißt für mich, eine gemeinsame Datenbank zu schaffen, Themen zu priorisieren und gegebenenfalls zu regionalisieren. Von den Landes-GBElerinnen und -GBElern wünsche ich mir eine Netzwerkkoordination und eine punktuell fachliche Unterstützung auf kommunaler Ebene. Da ich in einem hessischen Gesundheitsamt arbeite, ist das noch sehr visionär …

 

Dr. Thomas Ziese, Leiter Fachgruppe Gesundheitsberichterstattung, Robert Koch-Institut:

Gesundheitsberichterstattung ist ein wichtiges und spannendes Aufgabenfeld von Public Health: zentrale Themen, viele Ak-teur:innen mit unterschiedlichem Background, und direkt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik. Gute GBE braucht gute Daten. Aktuell gibt es viele Aktivitäten zum Aufbau neuer Datenquellen wie beispielsweise ein Konzept für ein RKI-Panel, in dem wichtige Public-Health-Daten kontinu-ierlich erhoben werden sollen. Auch gibt es viele Entwicklungen im verbesserten Zugang zu bestehenden Datenquellen wie den GKV-Daten. Beide Entwicklungen wurden nicht zuletzt durch die Pandemie deutlich beschleunigt. In meiner Vorstellung der Zu-kunft stehen diese und weitere ganz neue Gesundheitsdaten (Stichworte Social Media, Wearables etc.) datenschutzkonform für Gesundheitsberichterstatter:innen und andere Interessierte zur Verfügung. Damit können die knappen Ressourcen der GBE noch differenzierter für adressatengerechte Analysen, Berichte und Kommunikation genutzt werden. Darin steckt natürlich gleich ein weiterer Wunsch: Der Ausbau von Ressourcen für die GBE insgesamt. Der Bedarf an verlässlichen Gesundheitsinfor-mationen und -wissen ist in den letzten Jahren mehr als deutlich geworden.

Daten für Taten, so wird eine zentrale Aufgabe der GBE be-schrieben. In einer Vision für die nähere Zukunft beteiligt sich die GBE gemeinsam mit Akteur:innen aus Politik und Zivilgesell-schaft noch mehr als bisher an der Entwicklung von Strategien für die Verbesserung der Gesundheit aller. Der GBE kommt da-bei auf mehreren Ebenen eine Schlüsselrolle zu: Zum einen kann sie durch ihre Daten und Analysen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene Handlungsbedarfe zur Verbesserung der Gesundheit erkennen – dabei hat die GBE vulnerable Bevölke-rungsgruppen wie Kinder, Ältere oder sozial Benachteiligte im Blick. Zum anderen hat die GBE eine wichtige Rolle in der da-ten- und wissensgestützten Begleitung von (gesundheits-)politischen Maßnahmen und Strategien, um so relevante Infor-mationen in die Steuerung und Weiterentwicklung dieser Prozes-se einzuspeisen.

Habe ich noch einen Wunsch frei? Für die nächsten Jahre wün-sche ich mir besonders, dass wir GBEler:innen unser Wissen bei der größten globalen Public-Health-Aufgabe, die Bekämpfung des Klimawandels, noch aktiver auf allen Aktionsebenen ein-bringen können. Dazu braucht es neben der Stärkung der GBE-Ressourcen auch den Ausbau von entsprechenden Strukturen und Prozessen, um den Health-in-All-Policies-Ansatz gerade in diesem Bereich gut umsetzen zu können.