► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
Beamtenrecht
Das Beamtenrecht ist ein Teil des Öffentlichen Rechtes. Es regelt die Verhältnisse des Staates zu seinen Beamten.
Allgemein
Als Rechtsnorm ist das Beamtenrecht sehr stringent, was auch für Gutachter/innen bedeutet, dass sie sich genau an bestimmte Regularien halten müssen.
Der Bereich wird in weiten Bereichen zusätzlich durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte moduliert. Daher sollte ein/e Gutachter/in die wegweisenden Urteile der Oberverwaltungsgerichte des betreffenden Bundeslandes und des Bundesverwaltungsgerichts inhaltlich kennen.
Die gesetzlichen Grundlagen erscheinen auf den ersten Blick kompliziert:
Das Beamtenstatusgesetz [BeamtStG] ist ein Gesetz zur Regelung des Statusrechts von Beamtinnen oder Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Es gilt unmittelbar, das heißt, es bedarf nicht der Umsetzung durch Landesgesetze.
Die 16 Landesbeamtengesetze (LBG) dienen der Konkretisierung der Regelungsbereiche, die der Bund den Ländern offen gelassen hat.
Für Bundesbeamte gilt das Bundesbeamtengesetz (BBG), nicht das BeamtStG.
Für Begutachtungen gelten daher ein Beamtenstatusgesetz mit 16 Landesbeamtengesetzen im Beamtenrecht sowie das Bundesbeamtengesetz, die glücklicherweise in weiten Teilen materiell gleich sind. Es gibt aber doch Unterschiede, weswegen sich Gutachter/innen immer vor der ersten Begutachtung mit der entsprechenden aktuellen Rechtsgrundlage auseinandersetzen sollten.
In vielen Bundesländern und beim Bund gibt es zudem untergesetzliche Regelungen wie Verwaltungsvorschriften oder Erlasse, die die Zuständigkeit für die Begutachtung, aber auch Inhalte regeln, z.B. durch Festlegung der körperlichen Anforderungen - zum Teil nur für einzelne Beamtengruppen. Auch diese gilt es zu beachten.
Vor der Begutachtung ist prinzipiell die Zuständigkeit des/der Gutachters/in zu prüfen. In vielen Bundesländern gilt das sog. Dienstortprinzip, in anderen das Wohnortprinzip. In einigen Bundesländern, z.B. in Berlin, werden die Untersuchungen in zentralen Untersuchungsstellen durchgeführt oder Teile der beamtenrechtlichen Untersuchungen an externe Ärzte ausgegliedert, z.B. in Baden-Württemberg.
Des Weiteren ist die Kostenübernahme zu klären: Zahlt der Auftraggeber oder der Bewerber? Oder hat die Untersuchungsstelle ein eigenes Budget, z B. für die Durchführung von Zusatzuntersuchungen?
Immer wieder wird die Frage nach der ärztlichen Schweigepflicht im besonderen Rahmen der Begutachtung von Beamten/innen gestellt. Hierbei ist zu beachten, dass das Beamtenrecht weitreichende Mitteilungsbefugnisse beinhaltet.
Wird das Gutachten auf Wunsch oder mit Einwilligung der/des Beamten/in erstellt, so liegt hierin, sonst in der an die Beamtin oder den Beamten gerichteten Weisung nach z.B. § 41 LBG Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung mit § 26 BeamtStG sich untersuchen zu lassen, die Rechtfertigung der anfordernden Stelle, die für die Entscheidung erforderlichen medizinischen Daten zu übermitteln.
Aufgrund dessen ist für die Weitergabe der erforderlichen Daten an die anfordernde Stelle eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht erforderlich.
Es ist hier allerdings auch zu beachten, dass die Landesbeamtengesetze sich auch in diesem Teil unterscheiden. Dies ist besonders relevant bei der Untersuchung von Bewerbern, die ja noch keine Beamten sind. Man stelle also immer durch Klärung mit der verfahrensleitenden Behörde sicher, was man mitteilen darf und soll und was nicht.
Sonderfall: Richter/innen
Richter/innen sind keine Beamtinnen oder Beamte! Aber wie diese stellen sie aufgrund ihrer Tätigkeit und der damit verbundenen Verantwortung eine besondere Statusgruppe dar, für die viele beamtenrechtliche Bestimmungen oder ähnliche Regelungen Anwendung finden (z.B. in den Bereichen Besoldung und Versorgung).
In weiten Teilen wird auch für sie durch einen Verweis in den Richtergesetzen das Beamtenrecht anwendbar, soweit in den entsprechenden Richtergesetzen der Länder und des Bundes keine eigenen Regelungen getroffen wurden.
Es gibt aber auch Spezialregelungen, die insbesondere die sogenannte anderweitige Verwendung und das Verfahren zur Zurruhesetzung betreffen.
Einstellungsbegutachtungen
Rechtsgrundlagen
Ob Einstellungsuntersuchungen durchgeführt werden, liegt grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Dienstherrn. Ausgehend von Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Kriterien der Ernennung des BeamtStG:
“Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.”
Es sehen aber nahezu alle Landesgesetze unmittelbar oder durch Verwaltungsvorschriften der Länder vor der Begründung eines Beamtenverhältnisses die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung vor.
Beispielsweise lautet der entsprechende Paragraph des LBG in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg:
§ 9 (2) MV) Die gesundheitliche Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens (§ 44) festzustellen.
(§ 9 (2) HH) Die gesundheitliche Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder in ein anderes Beamten- oder Beschäftigungsverhältnis mit dem Ziel der späteren Verwendung im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ist auf Grund eines ärztlichen Gutachtens (§ 44) festzustellen.
Dabei ist die gesundheitliche Eignung als Teil der allgemeinen Eignung anzusehen.
Bei der Prüfung der gesundheitlichen Eignung sind Fachrichtung und Dienstverhältnis zu berücksichtigen.
Beispiele für Fachrichtungen mit besonderen Anforderungen:
-
Polizei
-
Justiz
-
Forst
-
Bildung
-
Feuerwehr
Hier können andere Anforderungen als bei der allgemeinen Verwaltung oder bspw. der Finanzverwaltung zum Tragen kommen.
Während der Prognosemaßstab für die Einstellung als Beamtin/Beamter seit den sechziger Jahren unverändert war,
“Die gesundheitliche Eignung fehlt bereits dann, wenn die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.“
wurde dieser Prognosemaßstab durch die BVerwG Urteile 2 C 12.11 und 2 C 18.12 vom 25. Juli 2013 maßgeblich geändert. Hier die dazu relevanten Auszüge:
Beamtenbewerber, deren Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, sind gesundheitlich als Beamte nicht geeignet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass eine vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist. Die gesundheitliche Eignungsprognose ist aufgrund einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu stellen. Dem Dienstherrn steht diesbezüglich kein Beurteilungsspielraum zu.
Das führte dazu, dass jetzt nicht mehr die sich bewerbende Person ihre gesundheitliche Eignung beweisen muss, sondern die/der Ärztin/Arzt verwaltungsrechtlich nachprüfbar beweisen muss, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer vorzeitigen Zurruhesetzung oder vermehrten Fehlzeiten zu rechnen ist. Das wird nur sehr selten der Fall sein, zumindestes bei den Laufbahnen mit normalen gesundheitlichen Anforderungen.
Der/die Gutachter/in muss in den Fällen, in denen sie an der gesundheitlichen Eignung zweifelt eine ausreichende Tatsachenbasis schaffen.
In vielen Fällen wird dies allerdings nicht zu einer Ablehnung führen.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass für Schwerbehinderte gesonderte Regelungen greifen, die die Einstellung erleichtern sollen. Hier sind die Regelungen der einzelnen Bundesländer und des Bundes zu beachten. Es seien hier genannt:
-
verkürzter Prognosezeitraum (5 Jahre, 8 Jahre, 10 Jahre),
-
das Feststellen nur des Mindestmaßes an körperlicher Eignung, sowie
-
die Erstellung des Ärztliches Gutachtens nur für die Beratung.
Der erforderliche Untersuchungsumfang ist abhängig von der Fachrichtung und ggf. auch der Art des Dienstverhältnisses. Sinnvoll ist im Rahmen des allgemeinen Screenings das Festlegen eines standardisierten Untersuchungsumfanges, der bei bestehenden Vorerkrankungen erweitert wird.
Als sogenannter Standard-Untersuchungsumfang gilt in den meisten Fällen das Erheben einer Anamnese, z.T. unterstützt durch einen Fragebogen. In Gesundheitsämtern sollten entsprechende Fragebögen vorliegen, zum Teil sind diese gemeinsam Erarbeitet aus Arbeitskreisen zur Qualitätssicherung, oder in einigen Bundesländern auch ministeriell vorgegeben.
Die Begutachtung wird in der Regel eine körperliche Untersuchung umfassen.
Es obliegt dem/der Gutachter/in zu entscheiden, welche Labor- und technischen Untersuchungen für die Beantwortung der Fragestellung erforderlich sind.
Bei Fällen der “normalen” gesundheitlichen Anforderungen (z.B. Tätigkeiten in der Verwaltung, Finanzbereich) und bei fehlenden Vorerkrankungen erfolgt mittlerweile in mehreren Bundesländern die Einstellungsgutachten-Untersuchung nur noch nach Aktenlage.
Seitens des Arbeitskreis Qualitätssicherung im amtsärztlichen Gutachtenwesen Nordrhein-Westfalen wird die folgende Kategorisierung der Untersuchten mit den angegebenen Formulierungshilfen auch unter dem Aspekt empfohlen, dass die zukünftig verstärkt in den Vordergrund tretende Funktion der Einstellungsuntersuchung, auf bereits bestehende oder möglicherweise zukünftig drohende funktionelle Einschränkungen der bewerbenden Person hinzuweisen ist (Verwendungsberatung):
Kategorie A
Es sind keine gesundheitlichen Auffälligkeiten feststellbar.
Formulierungsvorschlag:
Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf bedeutsame Erkrankungen, die die Eignung von Herrn/Frau … für die Tätigkeit als … einschränken würden. Nach jetzigem Erkenntnisstand sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen, eine vorzeitige Dienstunfähigkeit, bzw. häufige und erhebliche krankheitsbedingte Ausfälle, seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
(Fakultativ ergänzen: Gegen die Einstellung im Beamtenverhältnis auf Probe und später ggf. auf Lebenszeit bestehen in gesundheitlicher Sicht keine Bedenken.)
Kategorie B
Es sind leichte gesundheitliche Auffälligkeiten festzustellen, die jedoch insgesamt nicht zu einer negativen Prognose führen. Es wird jedoch für zweckmäßig gehalten, sie zu erwähnen (Ermessensentscheidung!).
Formulierungsvorschlag:
Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf Erkrankungen, die die Eignung von Herrn/Frau … für die Tätigkeit als … grundlegend einschränken würden. Bei ihm/ihr besteht allerdings … [Erkrankungen oder Risikokonstellation mit deren Merkmalen erwähnen, bzw. mit möglichen Verläufen]. Eine dienstliche Relevanz ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Dies kann auch dienstlich relevant werden. Empfohlen wird … [ggf. Ratschläge, Einsatz- und Verwendungseinschränkungen anfügen oder auch bei Probebeamten erneute Begutachtung vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit].
Ausgehend von den jetzigen Befunden sind jedoch keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen, eine vorzeitige Dienstunfähigkeit bzw. häufige und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
(Fakultativ ergänzen: Gegen die Einstellung im Beamtenverhältnis auf Probe und später ggf. auf Lebenszeit bestehen aus gesundheitlicher Sicht keine Bedenken.)
Kategorie C
Es bestehen chronische bzw. rezidivierende gesundheitliche Auffälligkeiten, die durchaus Bedenken bzgl. der individuellen Krankheitsentwicklung, möglicher Leistungs-, bzw. Verwendungseinschränkungen und/oder relevanter Fehlzeiten aufkommen lassen. Es sind jedoch weder individuelle tatsächliche Anhaltspunkte ersichtlich, noch hinreichend belastbare fachwissenschaftliche Erkenntnisse gegeben, um die Wahrscheinlichkeit eines negativen Verlaufs prognostisch eindeutig als „überwiegend“ einzustufen. In diesen vermutlich nicht seltenen Fällen ist es geboten, ausdrücklich auf mögliche Probleme hinzuweisen, zugleich aber deutlich zu machen, dass es für eine im Rechtsstreit durchsetzbare Ablehnung nicht genügend unabweisbare sachverständige Argumente gibt.
In manchen Fällen wird aufgrund der Ausgangslage zugleich auf bestimmte Besonderheiten bzw. jetzige oder mögliche zukünftige Verwendungseinschränkungen hinzuweisen sein, die der Dienstherr von vornherein berücksichtigen sollte, ohne dass die/der Bewerber/in aber insgesamt als generell ungeeignet eingestuft werden müsste.
Formulierungsvorschlag:
Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang ergaben sich keine Hinweise auf Erkrankungen, die die Eignung von Frau/Herrn … für die Tätigkeit als … grundlegend einschränken würden. Bei ihr/ihm besteht allerdings … [Erkrankung oder Funktionsdiagnose mit möglichen Auswirkungen, evtl. bereits frühere Fehlzeiten und ggf. weitere „konkrete Anknüpfungspunkte“ beschreiben] Dies kann zu beruflichen Einschränkungen, längeren/häufigeren Krankenphasen und/oder einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit führen.
Allerdings können keine hinreichenden wissenschaftlichen Grundlagen ermittelt werden, die ein negatives amtsärztliches Votum stützen würden. Auch unter Berücksichtigung von möglicher Weise in der Zukunft liegenden sonstigen Einflussfaktoren bleibt eine Abwägung der Wahrscheinlichkeiten für den weiteren Verlauf insoweit spekulativ. Bezüglich einer Verbeamtung [auf Probe/Lebenszeit …] ist daher aus amtsärztlicher Sicht trotz gesundheitsbezogener Bedenken eine überwiegende Wahrscheinlichkeit längerer/häufigerer Fehlzeiten, bzw. eine vorzeitige dauerhafte Dienstunfähigkeit nicht begründbar.
Kategorie D
Es bestehen chronische, bzw. rezidivierende gesundheitliche Auffälligkeiten, die in hohem Maße, jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, Bedenken bzgl. der weiteren Prognose – vorzeitige Dienstunfähigkeit und/oder gehäufte/längere Ausfallzeiten - auslösen. Maßgeblich ist, dass sich diese Bedenken auf folgende Merkmale stützen müssen, wobei immer die aktuelle wissenschaftliche Datenlage und „konkrete Anknüpfungspunkte“ betrachtet werden müssen:
-
die Art der Erkrankung als solche mit ggf. gehäuft problematischen Verläufen und/oder Folgeproblemen (Statistik, Krankheitsverlauf nach Lehrbuch)
-
konkrete fallbezogene Befunde als Merkmale einer klinischen Graduierung
-
den individuellen Krankheitsverlauf (retrospektive Anamnese, bereits dokumentierte Rezidive, längere Arbeitsunfähigkeits-Phasen u.ä.)
-
sonstige mögliche Einflussfaktoren (soziale oder bereits absehbare dienstliche Rahmenbedingungen)
Entscheidend ist, bei einer bewerbenden Person die relevanten Merkmale möglichst differenziert zu erfassen und zu dokumentieren, um sie für den Abwägungsprozess verwenden zu können. Ggf. kann es auch sinnvoll sein, ein Fachgutachten zur Frage der individuellen Prognose in Auftrag zu geben.
Formulierungsvorschlag:
Unter Bezug auf Anamnese und Untersuchungsumfang zeigten sich gravierende gesundheitliche Einschränkungen. Bei Frau/Herrn … besteht [Erkrankung bzw. Funktionsdiagnose mit Merkmalen, Schweregrad, bisherigem und zu erwartendem Verlauf beschreiben]. Dennoch/Daher ist er/sie für eine Tätigkeit als … als solche geeignet/nicht geeignet.
Bezogen auf den hier vorliegenden Einzelfall wurden die Besonderheiten des Krankheitsbildes, des bisherigen Krankheitsverlaufs sowie weiterer individueller und/oder sonstiger ungünstiger Einflussfaktoren gewichtet und bewertet.
Danach ist aus amtsärztlich-sachverständiger Sicht zusammenfassend festzustellen, dass aufgrund zu erwartender zukünftiger Komplikationen das Eintreten häufiger/längerer Fehlzeiten, bzw. einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit, mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss.
Fakultativ: Gegen eine Einstellung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bestehen aus amtsärztlicher Sicht keine Bedenken. [Dann ggf. derzeitige oder möglicherweise zukünftig eintretende Verwendungsausschlüsse beschreiben, evtl. auch positives und negatives Leistungsbild erstellen.]
Kategorie E - Sonderfall Schwerbehinderung oder Gleichstellung
Es besteht eine Schwerbehinderung oder anerkannte Gleichstellung. Hier wird nur das für die Laufbahn oder bestimmte Dienstposten der Laufbahn erforderliche „Mindestmaß körperlicher Rüstigkeit“ verlangt, keine Aussage zur vorzeitigen Dienstunfähigkeit. (In einigen Bundesländern: Mindesterwartung von X Jahren Dienstfähigkeit)
Ärztlicherseits soll zur Entscheidungshilfe für Bewerber und Dienststelle eine Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der gesundheitlichen Eignung abgegeben werden.
Im folgenden finden sie den Textbaustein für ein Gutachten bei einer gesundheitlich nicht eingeschränkten Bewerberin, die für eine Verbeamtung auf Widerruf oder auf Probe ansteht. Der letzte Satz dient dem Hinweis, dass aus ärztlicher Sicht eine erneute Untersuchung vor einer Verbeamtung auf Lebenszeit derzeit als nicht erforderlich angesehen wird.
Im Ergebnis der Begutachtung am xx.xx.20xx und der Würdigung der vorgelegten Befunde wird festgestellt, dass bei
Maxima Mustermann
die für die vorgesehene Einstellung als Beamte/in auf Widerruf/Probe erforderliche gesundheitliche Eignung vorliegt.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine Hinderungsgründe für eine spätere Verbeamtung auf Probe sowie auf Lebenszeit erkennbar.
Dienstfähigkeit
Die Dienstfähigkeitsbegutachtung der Beamten/innen ist in den Gesundheitsämtern ein großer Begutachtungsbereich und stellt viele Anfänger zunächst vor Schwierigkeiten.
Rechtsgrundlagen
Für die Bundesbeamten gilt die Feststellung der Dienstunfähigkeit das Bundesbeamtengesetz, § 44 Dienstunfähigkeit und § 45 begrenzte Dienstfähigkeit in Verbindung mit § 48, für die anderen Beamten das Beamtenstatusgesetz § 26 Dienstunfähigkeit und § 27 begrenzte Dienstfähigkeit in Verbindung mit den jeweiligen Landesbeamtengesetzen.
In vielen Bundesländern existieren zudem Verwaltungsvorschriften, die die Begutachtung, zum Teil auch nur für einzelne Beamtengruppen, konkretisieren.
Im Folgenden sind die entsprechenden Paragraphen des Bundesbeamtengesetzes und Beamtenstatusgesetzes untereinander aufgeführt, so dass man erkennen kann, dass diese inhaltlich nahe beieinander liegen.
§ 44 Dienstunfähigkeit:
(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist.
(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass die Beamtin oder der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.
(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann einer Beamtin oder einem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
(4) Zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand kann die Beamtin oder der Beamte nach dem Erwerb der Befähigung für eine neue Laufbahn auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Das neue Amt muss derselben Laufbahngruppe zugeordnet sein wie das derzeitige Amt. Für die Übertragung bedarf es keiner Ernennung.
(5) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.
(6) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, besteht die Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen.
(7) Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Gruppen von Beamtinnen und Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt.
§ 45 Begrenzte Dienstfähigkeit
(1) Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist abzusehen, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Von der begrenzten Dienstfähigkeit soll abgesehen werden, wenn der Beamtin oder dem Beamten nach § 44 Abs. 2 oder 3 ein anderes Amt oder eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden kann.
(2) Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit zu verkürzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich.
(3) Die für die Ernennung zuständige Behörde entscheidet über die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit. Für das Verfahren gelten die Vorschriften über die Dienstunfähigkeit entsprechend.
§ 48 Ärztliche Untersuchung
(1) In den Fällen der §§ 44 bis 47 kann die zuständige Behörde die ärztliche Untersuchung nur einer Amtsärztin oder einem Amtsarzt übertragen oder einer Ärztin oder einem Arzt, die oder der als Gutachterin oder Gutachter nach Satz 2 zugelassen ist. Die oberste Dienstbehörde bestimmt, welche Ärztin oder welcher Arzt mit der Fertigung von Gutachten beauftragt werden kann. Sie kann diese Befugnis auf nachgeordnete Behörden übertragen.
(2) Die Ärztin oder der Arzt teilt der Behörde auf Anforderung im Einzelfall die tragenden Gründe des Gutachtens mit, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Diese Mitteilung ist in einem gesonderten und versiegelten Umschlag zu übersenden und versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Sie darf nur für die Entscheidung der in Absatz 1 genannten Fälle verwendet werden.
(3) Zu Beginn der Untersuchung ist die Beamtin oder der Beamte auf deren Zweck und die Mitteilungspflicht nach Absatz 2 hinzuweisen. Die Ärztin oder der Arzt übermittelt der Beamtin oder dem Beamten oder, soweit dem ärztliche Gründe entgegenstehen, einer oder einem Bevollmächtigten ein Doppel der Mitteilung nach Absatz 2.
§ 26 BeamtStG Dienstunfähigkeit
(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, die dem Landesrecht vorbehalten bleibt die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist.
Fett gedruckt ist hier die Öffnung für landesgesetzliche Regelungen. Die Frist innerhalb von 6 Monaten ist allgemein üblich, die Fristen bei Polizei, Feuerwehr und (in manchen Bundesländern beim Strafvollzug) betragen 2 Jahre).
§ 26 (2,3) BeamtStG
(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.
(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
§ 27 Begrenzte Dienstfähigkeit
(1) Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).
(2) Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich.
Der Begriff der “dauernden Dienstunfähigkeit” ist zu unterscheiden von der sogenannte aktuellen Dienstfähigkeit bei Beamten/innen, die der Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer/innen entspricht.
Das Fernbleiben vom Dienst bei Erkrankung, die „aktuelle Dienstunfähigkeit“, ist in einigen Bundesländern gesetzlich geregelt, z.B. durch den § 55 (2) LBG in MV oder den § 67 HmbBG in Hamburg.
Zudem gibt es in einigen Bundesländern für Beamte/innen sogenannte Diensterleichterungen, wie z.B. die stufenweise Wiedereingliederung oder die Maßnahmen zur Vermeidung der dauernden Dienstunfähigkeit.
Im Folgenden wird aber die Begutachtung zur Frage nach der sogenannten dauernden Dienstunfähigkeit behandelt.
Anders als bei einer standardisierten Einstellungsuntersuchung orientiert sich der Untersuchungsumfang bei der Dienstfähigkeitsbegutachtung an der Fragestellung und dem Ausmaß der krankheitsbedingten dienstlichen Beeinträchtigungen.
Der übliche Untersuchungsumfang einer Untersuchungsstelle ist beispielshaft aufgeführt und umfasst:
-
Befragung zur medizinischen Vorgeschichte (inklusive psychischer Vorerkrankungen)
-
Befragung zur lebensgeschichtlichen Entwicklung
-
Befragung zu den aktuellen beruflichen/sozialen Verhältnissen
-
Befragung zur aktuellen Befindlichkeit und Behandlung
-
Erhebung des aktuellen psychischen Befundes
-
Ganzkörperuntersuchung (orientierende oder grobe Untersuchung des gesamten Körpers beziehungsweise dessen Organsysteme)
-
Auswertung vorgelegter Vorbefunde
-
Gegebenenfalls nach Absprache eine Blutuntersuchung, soweit erforderlich auch zur Bestimmung von Alkohol und weiteren Suchtmitteln
-
Gegebenenfalls Anordnung einer fachärztlichen Zusatzuntersuchung (nach Abstimmung und erneuter Weisung durch Dienstvorgesetzten)
Die Befragung und Untersuchung dient dem Zweck, die für die Frage der Feststellung der Dienstunfähigkeit erforderliche Aussagen zu treffen. In der Regel werden dazu folgende Fragen beantwortet:
-
Welche krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen liegen vor? Wie ist die bisherige Entwicklung und wie das Ausmaß der Gesundheitsstörung zu beurteilen?
-
Welche Maßnahmen wurden bisher zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit durchgeführt und mit welchem Erfolg??
-
Sind zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit weitere Behandlungsmaßnahmen oder rehabilitative berufliche Maßnahmen erfolgversprechend? Wenn ja, welche?
-
Bestehen aus ärztlicher Sicht wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen Leistungseinschränkungen bei der Aufgabenwahrnehmung im derzeitigen Aufgabenbereich
-
oder im übertragenen konkreten Amt oder im Statusamt? Wenn ja, welche konkreten Tätigkeiten können nicht mehr ausgeübt werden?
-
Liegt die gesundheitliche Eignung für eine anderweitige Verwendung (§ 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG) vor? Wenn ja, für welche?
-
Liegen eventuell die Voraussetzungen der begrenzten Dienstfähigkeit im Sinne des § 27 BeamtStG vor? Wenn ja, in welchem Umfang?
-
Ist mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit zu rechnen? Wenn ja, in welchem Zeitraum?
-
Wird für den Fall der Versetzung in den Ruhestand eine Nachuntersuchung für zweckmäßig gehalten? Wenn ja, in welchem Zeitabstand?
Es sei an dieser Stelle betont, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht Sache des/der Gutachters/in sondern des Dienstvorgesetzten ist. Er bedient sich dazu eines ärztlichen Gutachtens, das dementsprechend die medizinischen Grundlagen für die zu treffende Entscheidung bieten sollte.
Der/die Gutachter/in hat zu prüfen, ob eine Störung mit Krankheitswert vorliegt, die Grundlage für die Leistungseinschränkungen und Fehlzeiten ist, die zum Gutachtenauftrag geführt haben.
Insbesondere hat der/die Gutachter/in die funktionellen Auswirkungen der Krankheit genau zu beschreiben, so dass der/die Dienstvorgesetzte die Entscheidung über die Feststellung der Dienstfähigkeit, bzw. Dienstunfähigkeit treffen kann.
Das ärztliche Gutachten soll der über die Versetzung in den Ruhestand entscheidenden Stelle eine umfassende Entscheidungsgrundlage für die Feststellung der Dienstunfähigkeit und die Versetzung in den Ruhestand geben. Es hat daher nicht nur Äußerungen zum aktuellen Gesundheitszustand zu enthalten, sondern es ist auch zu prüfen und darzulegen, ob eine Versetzung in den Ruhestand durch eventuelle weitere fachärztliche Behandlungen oder Rehabilitationsmaßnahmen vermieden werden kann. Zur Frage der gesundheitlichen Eignung für eine mögliche anderweitige Verwendung (§ 26 Absatz 2 BeamtStG) oder zur begrenzten Dienstfähigkeit (§ 27 BeamtStG) ist – wenn die anfordernde Dienststelle keine konkreten Angaben gemacht hat – allgemein Stellung zu nehmen.
In einigen Bundesländern und dem Bund sind Vordrucke für die Anamnese, Untersuchung und Erstellung des Gutachtens erarbeitet worden.
Beihilfe
Die sogenannte “Beihilfe” ist Teil des Alimentationsprinzips von Beamtinnen und Beamten. Sie soll neben einer Eigenbeteiligung, die meist über eine Private Krankenversicherung abgesichert wird, bei möglichen gesundheitlichen Problemen finanzielle Belastungen absichern. Im typischen Verfahren haben beihilfeberechtigte Beamtinnen und Beamte zunächst die Kosten einer ambulanten oder stationären medizinischen Behandlung selbst zu begleichen und reichen die Rechnungen anschließend zur anteiligen Erstattung bei der Beihilfestelle ein. Diese kann bei Unklarheiten eine fachliche Stellungnahme einholen, meist beim örtlich zuständigen Gesundheitsamt.
Alimentationsprinzip: Der Dienstherr verpflichtet sich gegenüber den Beamt/innen und deren Familien diese lebenslang angemessen zu alimentieren und nach Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Unterhalt zu gewähren.
Eine häufige Fragestellung ist, ob eine bestimmte Gebührenziffer, ein angesetzter Steigerungsfaktor oder eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahme “beihilfefähig” sei, und versucht so zum Teil in unzulässiger Form eine Vorwegentscheidung zu erzwingen. Tatsächlich gibt es keine anwendbare Definition der Beihilfefähigkeit.
Es finden sich in den diversen Beihilfevorschriften der Bundesländer teilweise leicht variierend wiederum unbestimmte Kriterien wie “Angemessenheit” und “Wirtschaftlichkeit” der entstandenen, bzw. geltend gemachten Aufwendungen. Auch diese unbestimmten Begriffe bieten der begutachtenden Person keinen verlässlichen Orientierungsmaßstab.
Vor diesem Hintergrund sollte sich die Vorgehensweise der Begutachtung strikt nach der Fragestellung richten. Dies kann jedoch durchaus die tatsächlichen Beurteilungsmöglichkeiten einer/s amtsärztlichen Gutachters/in überfordern.
„Kurgutachten“
Fragestellungen bei den sogenannten “Kurgutachten” entsprechen inhaltlich häufig etwa der Überprüfung des Rehabilitationsbedarfs in den sozialmedizinischen Verfahren der Renten- bzw. Krankenversicherung. Dabei ist in der Regel zu prüfen, ob die aktuelle gesundheitliche Situation des Patienten eine zeitnahe ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme angezeigt erscheinen lässt.
Neben einer zielgerichteten Anamnese und ggf. ergänzenden (symptombezogenen) klinischen Untersuchung gilt es insbesondere zu hinterfragen, ob - einer abgestuften Indikation entsprechend - bisherige therapeutische Maßnahmen vor Ort ausgeschöpft wurden, bzw. sich als unzureichend erwiesen haben. Da ein übliches primär vorgelegtes Attest meist nur gering aussagefähig ist, kann sich die Anforderung eines erweiterten Attests für Rehabilitationsmaßnahmen mit detaillierteren Angaben empfehlen.
In der Regel gilt es zugleich abzuwägen ob eine ambulante Kurmaßnahme hinreichend oder eine stationäre Rehabilitation erforderlich ist.
Dabei ist eine stationäre Maßnahme dann indiziert, wenn ergänzende diagnostische Maßnahmen, pflegerischer Bedarf oder sonstige Erfordernisse eine Unterbringung in einer krankenhausähnlichen Umgebung erfordern. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn jederzeit eine ärztliche und pflegerische Betreuung zur Verfügung stehen sollte, bzw. der Patient anders als “in einem Haus” mit entsprechend kurzen geschützten Wegen und spezieller, z.B. diätetischer Versorgung die gebotenen therapeutischen Maßnahmen nicht in Anspruch nehmen könnte.
Ein weiterer Aspekt kann sein, dass im Rahmen einer intensivierten Rehabilitation eine abschließende detaillierte Beurteilung des Rehabilitationserfolgs und der weiteren beruflichen Perspektive aus entsprechend aussagefähigem Bericht über Rehabilitationsmaßnahmen eingefordert werden kann. Dieses ist beispielsweise dann der Fall, wenn in Analogie zum Prinzip “Reha vor Rente” die Frage einer Dienstunfähigkeit erörtert werden muss. Anders als bei Tarifbeschäftigten spielt zwar - unter isolierter Betrachtung des lebenslangen Alimentationsprinzips - das Ziel der Erhaltung der Dienstfähigkeit bei noch aktiven Antragstellern formal keine Rolle, kann aber im Einzelfall in den amtsärztlichen Abwägungsprozess eines Dienstunfall-Verfahrens einbezogen werden.
Ein Sonderproblem stellen die ggfs. unterschiedlichen Regelungen zu Mindestabständen von Rehabilitationsmaßnahmen dar, von denen nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. In der Regel gilt dies für möglicherweise neu aufgetretene, daher gesondert rehabilitationsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigungen oder aber für gravierende Verschlechterungstendenzen einer chronischen Erkrankung, bei der ohne zeitnahe und damit intensivierte Wiederholungsmaßnahmen wesentliche nachteilige Folgen zu erwarten wären.
Ein Konfliktfeld liegt darin, dass auch bei Fehlen der vorgenannten Ausnahmekriterien vielen chronisch Kranken eine regelmäßige Wiederholung von geeigneten Anwendungen etc. im Rahmen einer Rehabilitation durchaus Linderung ihrer Beschwerden bringen kann. Insoweit fehlt vielfach das Verständnis für die Verweigerung durch den begutachtenden Amtsarzt. In diesem Zusammenhang kann darauf verwiesen werden, dass diese Regelung allein auf finanziellen Vorgaben des Beihilferechts beruht, aber medizinisch nicht begründet ist.
Rechnungsprüfungen
Prinzipiell ist es notwendig Rechnungen auf ihre Korrektheit zu prüfen. Die Überprüfung von Arztrechnungen bewegt sich dabei auf einer distanziert-abstrakten Ebene. Zur kritischen Bewertung gestellt werden dabei beispielsweise
-
die Begründung einzelner Gebührenziffern, bzw. deren zulässige Kombination oder Analogansatz
-
die Begründung eines angesetzten erhöhten Steigerungssatzes
-
selten auch in einer Analogieprüfung einer ausländischen Liquidation.
Vielfach fehlen allerdings an den Gesundheitsämtern die notwendigen Detailkenntnisse des ärztlichen Gebührenrechts, insbesondere im Hinblick auf die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Diskrepanzen zwischen vormaligen Gebührenpositionen und tatsächlichen diagnostischen und therapeutischen Prozeduren.
In schwierigen Fällen kann es daher sinnvoll sein, zur Klärung von weniger konkret medizinischen, als vielmehr gebührenrechtlichen Fragestellungen an die einschlägig kompetenten Stellen der jeweiligen Ärztekammern zu verweisen.
“Neue Behandlungsmethoden”
Eine besondere Problematik amtsärztlicher Gutachten liegt zunehmend in der Beurteilung der Zulässigkeit bzw. der sachgerechten Abrechnung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.
Hierbei handelt es sich in der Regel um sog. „wissenschaftlich (noch) nicht anerkannten Verfahren …“. Nach ggf. variierenden landesrechtlichen Regelungen können neue Verfahren als beihilfefähig anerkannt, werden, wenn sie zumindest auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen, bei dem betroffene Patienten quasi alternativlos sind
- d.h. andere, wissenschaftlich anerkannte Maßnahmen erfolglos ausgeschöpft sind.
Daraus ergeben sich folgende typische Fragestellungen für amtsärztliche Gutachten:
-
Um was für eine Maßnahme/Methode aus welchem Fachbereich geht es?
-
Inwieweit unterscheidet sich die neue Maßnahme/Methode vergleichend von bekannten, etablierten Maßnahme/Methode?
-
Gibt es einen einigermaßen nachvollziehbaren wissenschaftlichen Hintergrund (Evidenzbasierung) für eine – möglicherweise erhöhte – Zweckdienlichkeit gerade dieser Maßnahme?
Diese eher methodenbezogenen Teilfragen erfordern im Grunde eine maßgebliche Expertise mit einigermaßen tagesaktueller fachwissenschaftlicher Verwurzelung, die zur Klärung der assoziierten Frage notwendig ist:
-
Was für eine Art von Erkrankung liegt bei der erkrankten Person vor?
-
Welche Maßnahmen sind bei bei der erkrankten Person auf dieser Basis allgemein üblich, bzw. medizinisch indiziert, eventuell auch schon erfolgt, bzw. wären alternativ möglich?
-
Sind anderweitige Alternativen erfolglos ausgeschöpft, sodass - zumindest bei schwersten bedrohlichen Erkrankungen - ein Rückgriff auf nicht etablierte Methoden als Notbehelf zu erwägen wäre? (s. Nikolaus-Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 06.12.2005, Az.: 1 BvR 347/98)
Diese unmittelbar patientenbezogenen, individuellen Aspekte erfordern (eigentlich) ebenfalls eine ausgeprägte fachärztliche klinische Expertise, insoweit mit zeitnah aktuellem Erfahrungsprofil aus der klinisch Praxis.
Hier stellt sich die Frage, ob ein amtsärztlicher Gutachtendienst überhaupt die notwendige Fachkompetenz hat, bzw. vorhalten kann, derart spezielle Fragen im Streitfall auch gerichtsfest beantworten zu können.
Alternativ kommt im Sinne der Vorprüfung eine Orientierung am Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht. Bei dort weitgehend sinnidentischem Maßstab (Wirtschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 / § 12 SGB V: „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich, nicht über das Maß des Notwendigen“) lässt der zuständige Gemeinsame Bundesausschuß (..) diagnostische und therapeutische Methoden wissenschaftlich überprüfen und bewerten - allerdings durch hochkarätige Expertengremien und Studien.
Insoweit kann ein dortiges positives Votum, ebenso wie ein negatives, zugleich als beihilferechtlich analog herangezogen werden.
Eine weitere mögliche Orientierung, bzw. Verweisung kann an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gerichtet werden, der bei auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen ähnlichen Problemstellungen immerhin über zentrale Expertise und Austauschmodalitäten verfügt.
Im Einzelfall bleibt abzuwägen, sich mit den verfügbaren Zeit- und Personalressourcen des Gutachtendienstes aufwändig in eine klinische Spezialthematik einzuarbeiten und auch fachliche Auseinandersetzungen mit dem kurativmedizinischen Bereich nicht zu scheuen.
Oder aber: den Begutachtungsauftrag im Sinne der sogenannten Übernahmeverantwortung als fachlich nicht hinreichend verfahrenssicher zurückzugeben.