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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. (I) Gutachten im Verfahrensrecht
  2. (II) Erkenntnisgrundlagen des Gutachtenauftrages
  3. (III) Das amtsärztliche Gutachten als Entscheidungsbasis

Gesundheitsämter stellen einen Teil der allgemeinen Verwaltung dar und stellen zur Gutachtenerstellung Expertise aus Medizin und Verwaltung zur Verfügung. Die sachliche Basis für ein Gutachten ergibt sich zum einen (I.) formell-abstrakt aus den rechtlichen Anforderungen des jeweils einschlägigen Verfahrensrechts und zum anderen (II.) aus den inhaltlichen, d.h. medizinischen Anforderungen aus dem Gutachtenauftrag und den sich aus diesem wiederum abzuleitenden erforderlichen Erkenntnisgrundlagen.

Aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren ergibt sich dann (III.) eine Grundlage für die behördliche oder auch gerichtliche Entscheidung.

(I) Gutachten im Verfahrensrecht

Staatliche Verfahren benötigen einen formalen Ablauf der durch Rechtsnormen geregelt wird. Die Gesamtheit aller Rechtsnormen wird üblicherweise als Verfahrensrecht bezeichnet. Die überwiegenden Gutachtenaufträge im amtsärztlichen Bereich unterliegen im Verfahrensrecht dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und dem weitgehend inhaltsgleichen Sozialgesetzbuch (SGB) X.

Wenn und soweit im öffentlichen Recht für eine Entscheidung (amts)ärztlicher Sachverstand benötigt wird, gelten für die Heranziehung ärztlichen Sachverstandes die Grundregeln dieses allgemeinen Verfahrensrechts – soweit das Fachrecht nichts Abweichendes bestimmt. Das sind insbesondere die Regeln über die Beweismittel § 26 VwVfG bzw. die Parallelnorm § 21 im SGB X im Bereich des Sozialrechts.

*„Die Entscheidung, ob ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts. Das Ermessen wird nur dann fehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines Gutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit hierzu hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2018

  • 3 B 59.16 - ZOV 2018, 53 <54>). Dies ist nach den konkreten Umständen des Falles hier zu verneinen. Die dem Berufungsgericht vorliegenden Unterlagen genügten, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Tatsachen zu beurteilen. Denn die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse zur medizinischen und insbesondere medikamentösen Versorgung im Heimatstaat tragen die tatrichterliche Prognose des Berufungsgerichts (vgl. S. 24 ff. UA), dass, soweit einzelne Medikamente in Serbien nicht verfügbar sind, diese durch andere, gleich wirksame Medikamente substituiert werden können“. REF: Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 1 B 85/18, 1 PKH 67/18 zum Gerichtsverfahren)*

Das bedeutet, dass die Behörde die für die anstehende hoheitliche Entscheidung zuständig ist, in Ausübung ihres Ermessens auch darüber entscheidet, ob und welche ärztlichen Gutachten im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (oder auch Untersuchungsgrundsatz) zur Aufklärung des Sachverhalts für die Entscheidungsfindung benötigt werden.

Die einschlägigen Normen des §§ 24 und 26 VwVfG sprechen hier für sich und lauten zusammengefasst und gekürzt:

§ 24 Untersuchungsgrundsatz

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Sie hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Zur Ermittlung des Sachverhalts bedient die Behörde sich folgender Beweismittel (§ 26 VwVfG):

  1. Auskünfte jeder Art

  2. Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen

  3. Urkunden und Akten beiziehen

  4. den Augenschein einnehmen

Entscheidet sich die Behörde nach § 26 Abs. 2 VwVfG ein Sachverständigengutachten als Beweismittel einzuholen, sei es im Rahmen des Ermessens, sei es, weil die Einholung eines (amts)ärztlichen Gutachtens in dem jeweiligen Fachgesetz zwingend vorgeschrieben ist (REF:Z.B. im Beamtenrecht, § 44 Hamburgisches Beamtengesetz / § 48 BBG oder auch § 64 Abs. 1 Nr. 2 EstDV und viele andere)), sind weitere Erkenntnisgrundlagen, die die Gutachterin bzw. der Gutachter benötigt, von den Anforderungen aus seinem Fachgebiet abhängig.

Das ergibt sich aus der Funktion eines begutachtenden Amtsarztes, der – wie es der Bayrische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 6 ZB 18.2176 treffend ausdrückt:

“. . . lediglich als sachverständiger Helfer tätig [wird], um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist. “

Anders formuliert: Das amtsärztliche Gutachten ist nur eine, wenn in vielen Fällen auch die wichtigste Grundlage für die am Schluss eines Verfahrens anstehende Behörden- oder Gerichtsentscheidung.

(II) Erkenntnisgrundlagen des Gutachtenauftrages

1. Bevor es aber zu dieser materiellen fachlichen Bewertung kommt, ist der Gutachtenauftrag eine zwingende Erkenntnisquelle.

Auch wenn dieser von der verfahrensleitenden Behörde bzw. dem erkennenden Gericht erteilt wird, enthält er zahlreiche Sachangaben, deren Kenntnis unerlässlich für eine sachgerechte Begutachtung ist. Als besonders prägnantes Beispiel kann hier die beamtenrechtliche Begutachtung dienen.

Ausgehend von der Rollenverteilung zwischen „Dienstvorgesetzen“ und Sachverständigen bzw. Amtsärzten bei beamtenrechtlichen Entscheidungen hat sich in der Rechtsprechung (u.a. BVerwG vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11) eine hohe inhaltliche Anforderung an die Untersuchungsanordnung und damit auch den Gutachtenauftrag entwickelt:

„Ferner muss die Anordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Beamte einer fachpsychiatrischen Untersuchung unterziehen soll. Erhebungen des Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit, Ausbildung, besondere Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten stehen dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind. Deshalb sind die mit einer solchen Untersuchung verbundenen Eingriffe in das Recht des Beamten aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig weitgehend (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 a.a.O. S. 82 ff.; BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 a.a.O. Rn. 17).

Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene auch nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind“.

2. Neben dem Gutachtenauftrag und ihn ergänzend sind regelmäßig die in dem jeweiligen Verfahren bereits angefallenen Vorgänge bzw. Akten Erkenntnisgrundlage für das zu erstellende Gutachten.

Dazu können z.B. medizinische Vorbefunde herangezogen werden oder – regelmäßig – Aussagen über Zeiten von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Soweit hier Fragen des Schutzes personenbezogener Daten auftreten, gilt der Grundsatz, dass der Übermittler der Daten für die Zulässigkeit der Übermittlung verantwortlich ist, die/der Gutachter/in hat also keinen Anlass, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob diese Daten übermittelt werden durften. Er darf und muss sie zur Erfüllung seiner sachverständigen Expertise nutzen.

3. Problematisch ist dagegen die Anforderung (früherer) medizinischer Angaben unmittelbar von dem/der Proband/in.

Grundsätzlich besteht zwischen der/dem amtsärztlichen Gutachter/in und dem/der Proband/in kein dahingehendes Rechtsverhältnis, das die/den Gutachter/in berechtigen würde, dem/der Probanden/in Weisungen zu erteilen. Daher bedarf es hier regelmäßig des Umwegs über die verfahrensleitende Stelle (Gericht / Behörde).

Eine dahingehende Anordnung an den/die Probanden/in, eine/n (frühere/n) Arzt/Ärztin zu Beweiszwecken von der Schweigepflicht zu entbinden und sich mit der Beiziehung einer früheren ärztlichen Begutachtung einverstanden zu erklären, muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Das gilt insbesondere bei psychischen Erkrankungen. Die früheren Erkenntnisse müssen nach ärztlicher Auffassung für die neue Begutachtung zwingend erforderlich sein, um im weiteren Verfahren ggf. zu einer Beweislastumkehr zu führen (REF Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2014 – 2 B 69/12 ).

Hier ist in der Regel eine Rückkopplung zwischen der verfahrensleitenden Stelle und dem begutachtenden Amtsarzt erforderlich. Jene muss über die Verhältnismäßigkeit der Anforderung entscheiden und dieser muss die (medizinische) Erforderlichkeit der weiteren Angaben plausibilisieren.

4. Neben den unter 1. bis 3. genannten verfahrensmäßig eher formalen Erkenntnisgrundlagen muss ein verwertbares Gutachten auch noch fachlich-inhaltliche Voraussetzungen erfüllen.

4.1 Allgemeine Anforderungen

Für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens gelten die allgemeinen Grundregeln für wissenschaftliches Arbeiten, wie für jede rechtlich relevante sachverständige Begutachtung oder Stellungnahme. Je nach Bereich kommt dem amtsärztlichen Gutachten gegenüber privatärztlichen Gutachten im Dissensfall sogar Vorrang zu. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert:

“Die erwähnte Rechtsprechung besagt, dass für den Fall, dass inhaltlich nicht oder nicht vollständig vereinbare Stellungnahmen eines Amtsarztes und eines Privatarztes zu demselben Krankheitsbild vorliegen, diejenige des Amtsarztes im Konfliktfall dann Vorrang verdient, wenn dieser sich mit substantiierten medizinischen Befunden des behandelnden Privatarztes auseinandergesetzt hat.” (vgl. etwa Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 36 f. St. Rspr., vgl. m.w.Nw. VG Augsburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – Au 2 K 14.1585.).

Ein in einem Verwaltungsverfahren erstelltes ärztliches Gutachten muss die medizinischen Befunde und ebensolche Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass die zuständige Behörde auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob die in der jeweils einschlägigen Norm abstrakt umschrieben Tatbestände vorliegen oder nicht.

Das Gutachten muss sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den/en Beamten/in erhobenen Befunde darstellen, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen.

Was die wissenschaftliche Tiefe eines amtsärztlichen Gutachtens angeht, so ist diese vom Fachrecht abhängig. Stark vereinfacht kann man formulieren: Mit zunehmender Grundrechtsrelevanz steigen die Anforderungen an die wissenschaftliche Qualität eines Gutachtens. So sind z.B. die Anforderungen an ein Gutachten im Bereich des Steuerrechts weniger streng als im Bereich des Beamtenrechts ( Vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04. Juli 2018 – 1 K 1480/16 einerseits und BayVGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 3 ZB 16.935 andererseits.). Generell gilt, dass amtsärztliche Gutachten – wie jedes rechtlich in ein Verfahren eingeführtes ärztliches Gutachten – dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen müssen (vgl. Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Mai 2018 – L 5 U 77/14 , s.a Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06. April 2017 – L 6 VJ 1281/15 –, juris).

Das bedeutet im Einzelnen, dass jedenfalls folgende Schritte bei der Begutachtung durchgeführt werden bzw. erfüllt sein müssen:

(1) Medizinische Anamnese

(2) Sozial - / Berufsanamnese

(3) Jetziges Beschwerdebild

(4) (Frühere) Untersuchungsbefunde

(5) (Frühere) Diagnosen / Fachdiagnosen

(6) Epikrise / Wertung / Gewicht

(7) Sozialmedizinische Stellungnahme / Aussagen zu zeitlichen Prognosen

(8) Stellungnahme zu Reha- Maßnahmen und zur inhaltlichen Prognose

(9) Beantwortung der Fragestellung (Zusammenfassung) aufgrund der Erhebungen nach 1 – 8.

(10) Nachsorgende Überprüfung auf Schlüssigkeit und inhaltliche Überzeugungskraft

4.2 Verfügt der/die Amtsarzt/ärztin nicht über die in dem jeweiligen Bereich erforderliche Sachkunde, kann und muss er sich gegebenenfalls ergänzender Zusatzgutachten bedienen. Sonst sind die gutachterlichen Ausführungen im Streitfall unverwertbar, weil es an der nötigen Sachkunde fehlt. Im ggf. weiteren gerichtlichen Verfahren kann sich ein Gericht in der anstehenden Entscheidung aber grundsätzlich ohne weiteres auf amtsärztliche Gutachten stützen, die Gegenstand des Verwaltungsverfahrens waren. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch gerichtsseitige Einholung eines ergänzenden Sachverständigen-Gutachtens ist regelmäßig nur dann geboten, wenn das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten nicht hinreichend geeignet ist, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen tatsächlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist der Fall, wenn das Gutachten (bzw. auch amtsärztliche Stellungnahme) auch für den Nichtsachkundigen erkennbare (grobe) Mängel aufweist, etwa:

  • nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht

  • von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht

  • unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält

  • Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der/des Gutachters/in (Sachverständigen) gibt

(vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 31. Mai 2017 – 3 K 1320/15-; s.a. unter dem Aspekt der Rechtsschutzgarantie den sehr deutlichen Beschluss des BVerfG vom 16.01.2017 - 2 BvR 2615/14)).

(III) Das amtsärztliche Gutachten als Entscheidungsbasis

1. Die rechtliche Bewertung der Gutachten – des amtsärztlichen Gutachtens und des angeforderten Zusatzgutachtens – erfolgt dann in einer „gestaffelten Gesamtschau“ in der Weise, dass der/die Amtsarzt/ärztin sich mit dem Zusatzgutachten fachlich intensiv auseinandersetzen muss, es bewertet und zu einem zusammenfassenden Gutachten, einer Conclusio für die erkennenden Behörden kommen muss.

2. Auf dieser Basis wird das Gutachten dann in das Verfahren eingeführt und hilft dem Rechtsanwender bei der Subsumtion, der Ordnung des konkreten Sachverhaltes unter die Tatbestände der anzuwendenden Norm.

Es ist zu entscheiden, ob die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen den zahlreichen rechtlichen Kategorien bzw. Begriffen (sog Tatbestände bzw. Tatbestandsmerkmale) wie z.B. „dienstunfähig“ / „schuldfähig“ / „gesundheitliche Eignung“ / „Fahrtüchtigkeit“ / „Pflegebedürftigkeit“ / altersentsprechender Entwicklungsstand / gesundheitliche Schwächen oder Schäden etc.) unterfallen oder nicht. Dieser Akt der Rechtsanwendung obliegt als letzter Schritt im Entscheidungsprozess allein dem zuständigen Amtswalter der zuständigen verfahrensleitenden Behörde, bzw. der Richterin oder dem Richter, nicht der Gutachterin oder dem Gutachter. Das hat das Verwaltungsgericht Arnsberg (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 7. Februar 2014 –13 K 3126/12) in einer Entscheidung zum Dienstunfallrecht pointiert zum Ausdruck gebracht, darum seien die einschlägigen Passagen aus der Entscheidung − unter Kürzungen und Hervorhebungen − hier zitiert:

„Es geht bei der Erstellung polizeiärztlicher Gutachten im Bereich des Unfallausgleichs deshalb allein darum, dem Dienstherrn durch das polizeiärztliche Gutachten eine belastbare Tatsachengrundlage . . . zu schaffen, aufgrund derer der Dienstherr – nicht: der Polizeiarzt – prüfen und entscheiden kann, ob und in welchem Umfang und über welchen Zeitraum dem Beamten Unfallausgleich zusteht“.

. . . „Auch soweit die handelnde Behörde im Verlaufe des Verfahrens mehrfach erklärt hat, sie könne ihren Unfallausgleich ablehnenden Bescheid nicht aufheben, weil sie an das Gutachten des Polizeiarztes gebunden sei, handelt es sich um einen gravierenden Rechtsirrtum“.

„. . . das polizeiärztliche Gutachten [hat] nicht die Funktion, über den Unfallausgleich zu entscheiden. Diese Entscheidung ist der Verwaltung – und nachfolgend dem Gericht – vorbehalten. Die Verwaltung kann daher – weil der Polizeiarzt überhaupt keine

“Entscheidung” im eigentlichen Sinne trifft, sondern der Verwaltung lediglich die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung liefert – nicht an das Testat des Polizeiarztes in diesem Sinne “gebunden” sein. Selbstverständlich ist es allerdings so, dass die Verwaltung eine polizeiärztlich ordnungsgemäß ermittelte (belastbare) Tatsachengrundlage ihrer Entscheidung über die Gewährung von Unfallausgleich zu Grunde legen kann und zu Grunde zu legen hat. Dies gilt aber – ebenso selbstverständlich – dann nicht, wenn das Gutachten – wie hier – unter offensichtlichen Mängeln leidet, etwa, weil die polizeiärztliche Begutachtung den maßgeblichen Zeitraum überhaupt nicht in den Blick nimmt oder tatsächlich bestehende dienstunfallbedingte Einschränkungen des Beamten nicht erkennt/benennt. In einem solchen Fall muss die Verwaltung selbstverständlich, um ihrer Pflicht aus § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu genügen, eine Nachbesserung des polizeiärztlichen Gutachtens in die Wege leiten und darf sich nicht – geradezu “sehenden Auges” – auf eine falsch ermittelte Tatsachengrundlage stützen, um den Antrag des Beamten auf Gewährung von Unfallausgleich abzulehnen“.

3. Auf der anderen Seite darf sich der/die Entscheidungsträger/in keine fachlichen – medizinischen oder psychiatrischen oder psychologischen – Kenntnisse anmaßen, die er/sie nicht hat.

Andernfalls liegt ein schwerer Verfahrensfehler in Form des Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor, der in der Regel zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt. Für das gerichtliche Verfahren – für das behördliche Verfahren gilt nichts anderes – hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2014 – 2 B 14/14 –, juris; m.w.Nw. – ständige Rspr.) zur Frage der Schuldfähigkeit ausgeführt (Auszug):

„. . . hat das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Fehlt dem Gericht die hierfür erforderliche Sachkunde, muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Kommt es maßgeblich auf den Gesundheitszustand eines Menschen an, ist daher regelmäßig die Inanspruchnahme ärztlicher Fachkunde erforderlich. Für die hier entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters“

4. Aus den unter 1. bis 3. dargestellten Rechts- bzw. Verfahrensgrundsätzen ergibt sich gewissermaßen zwangsweise, dass nur ein gutes Zusammenspiel zwischen verfahrensleitender Behörde und dem gutachterlich tätigen amtsärztlichen Dienst auch zu richtigen Entscheidungen führen kann.

Nur wenn gegenseitiger Respekt für und auch Neugier auf das Fachgebiet des anderen vorhanden ist, werden im allgemeinen Sinne gute und im Rechtssinne richtige Entscheidungen entstehen können.